Ostern = Göttin Ostera = So ein Quatsch!
Ostern ist ein Beispiel für erfundene Traditionen und Etymologien. Der Volksmund und das Allgemeinwissen sagen, dass der Name Ostern von einem frühgermanischen Frühlingsfest stammt, das im Rahmen der Christianisierung christliche Symbolik erhielt. Christliche Feiertage wurden im 2. bis 4. Jahrhundert auf Konzilen vereinheitlicht, da es bis dahin viele konkurrierende Termine innerhalb des Christentums gab. Im Jahre 325 wurde Ostern auf dem Ersten Konzil von Nicäa auf die Tage nach den ersten Frühlingsvollmond gelegt.
Doch zurück zur Etymologie. Ostern stammt demnach von der germanischen Göttin Ostera (auch Ostara geschrieben), einer Göttin des Lichts, der Morgenröte und der Fruchtbarkeit. Mit dem zunehmenden Tageslicht, wurden Freudenfeiern zum Ende des Winters und der wiederkehrenden Fruchtbarkeit der Natur gefeiert. Missionare übernahmen den heidnischen Begriff Ostern für das christliche Auferstehungsfest. So ein Quatsch!
Das christliche Auferstehungsfest, vulgo Ostern ist eine frühchristliche Kopie des jüdischen Passahfestes, dem Gedenken des Auszuges der Kinder Israels aus Ägypten. Die frühen christlichen Gemeinden nannten dieses Fest unser Passahfest = pascha nostrum. Dieses Wort wurde von den Missionaren genutzt. Der erste Teil des Wortes kam im Gotischen als Paska an und heute heißt Ostern in Schweden Pask. Weiter im Westen wurde das Fest Paschen (Altniederländisch) und heute Pasen (Niederländisch, Niederdeutsch). Der zweite Wortteil nostrum wurde in Kombination mit Osten (=Sonnenaufgang) zu einem gallofränkischen Lehnwort, das zunächst den ersten Gottesdienst bei Anbruch des Auferstehungsfesttages bezeichnete. Vom althochdeutschen Ostarum über das Mittelhochdeutsche Osteren entstand das Wort heutige Wort Ostern.
Doch wie kam die Traditionslinie Ostera = Ostern auf? Der altsächsische Theologe und Geschichtenschreiber Beda Venerabilis (etwa 673 bis 735) versuchte in seinem Werk "De Temporum Ratione" logische Erklärungen für Monats- und Feiertage zu finden. In einem Analogieschluß zu Kriegsgott Mars = March/März und Göttin Juno = June/Juni formulierte er, dass Ostern sich auch auf eine Göttin, die er Eostrae nannte, bezieht. Es gibt keine Belege für diese Göttin vor dieser Schrift und andere frühe Theologen und Historiker, die das Buch von Beda Venerabilis nicht kannten, erwähnen in ihren Beschreibungen der vorchristlichen Glaubenswelt auch keine Frühlings- und Lichtgöttin Ostera.
Im 19. Jahrhundert entstanden die meisten modernen Geisteswissenschaften in der heutigen Form (Geschichte, Archäologie, Ethnologie, Linguistik, Germanistik, etc.). Beda Venerabilis wurde Ende des 19. Jahrhunderts wieder entdeckt, seine Vermutung akzeptiert und seine Behauptung nach und nach in alle Standardwörterbücher übernommen. Die Argumentation lief damals ungefähr so: "dies ist der früheste Beleg und deshalb ist er wahr". Eine kritische Edition der Werke von Beda Venerabilis erschien erst 1959 und seitdem gab es zwar weitere Diskussionen, aber eigentlich ist das Thema in der Wissenschaft erledigt. Ostera ist eine Erfindung von Beda Venerabilis.
Das neue Fachwissen ist auf dem langsamen Weg ins Allgemeinwissen. Traditionen (auch tradierte Wörter) werden zwar ständig neu definiert, benötigen aber Generationen um sich zu verändern. Historische Fakten, die einen erworbenen Wissensstand widersprechen, setzen sich nur sehr langsam durch (Dolchstoßlegende, geschichtsloses Afrika).
Es gibt auch noch einen logischen Fehler in der Zuordnung Ostern = Frühlingsfest. Die Germanen kannten keine vier Jahreszeiten. Für sie gab es nur Winter und Sommer, warum sollten sie eine Frühjahrsgöttin haben? Das Konzept der vier Jahreszeiten stammt aus dem Mittelmeerraum und wurde von den Römern über die Alpen gebracht. Kulturelle Konzepte sollten entsprechend einen lateinischen Wortursprung haben.
Noch einige frühe Belege. Martin Luther übersetzte das jüdische Passahfest mit Ostern. HOFFMANN (1884) Wörterbuch der deutschen Sprache: Ostern, das Fest der Auferstehung Christi, bei den Juden: das Fest, welches sie zum Andenken an den Auszug aus Ägypten feiern, Passah.
Quellen: Diverse Artikel im "Handbuch zur europäischen Kulturgeschichte" herausgegeben von Wulf Köpke und Bernd Schmelz, München 1999 plus alte und neue Etymologien und Wörterbücher der HAB.
Siehe hierzu auch allgemein in der linken Spalte vom Blog die gesammelten Eintragungen zum Thema/Schlagwort Etyms.
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