Mittwoch, 24. Februar 2016

Fehlende Andenken und diffuse Erinnerungen

Manche Erinnerungen brauchen eine materielle Unterstützung.
Es gab Tage und sogar Wochen, in denen Erlebnisse, Beobachtungen und interessante Gespräche, in so dichter Reihenfolge auf mich einstürzten, dass nicht genügend Zeit zur Reflektion blieb.
Das sind Zeiten gewesen, die heute durch Tagebucheinträge, Briefe und Postkarten, die ich damals geschrieben habe, wieder aufleben könnten. Fotos oder andere Andenken in der Form von Eintrittskarten, Fahrkarten, Rechnungen und anderen konkreten Materialien könnten mir dabei helfen.
Ich habe Lücken in meiner Erinnerung, zum Beispiel der Sommer 1981. Meine letzten Sommerschulferien und ich fuhr alleine von Ganderkesee aus mit einem Interrail-Ticket in das südliche Europa, ich hatte kein wirkliches Ziel, keine Stadt, die ich unbedingt besuchen wollte. Die deutsche Bahn führte mich zur niederländischen Grenze und dann reiste ich auf der Route NL - BE - FR - ES - PT - ES - FR - CH - DE - CH - FR - LUX - BE - NL um nach weniger als drei Wochen wieder an meinem Ausgangspunkt zu sein.
(Habe vor Jahren mal versucht, einige Orte meiner Tour zu benennen)
Die deutsche Bahn gab eine Prämie (waren es 10, 20 oder mehr DM?) für das ausgefüllte kleine Interrail-Heftchen, wenn es zum Abschluss bei der Bahn abgegeben wurde. Ich war Schüler, hatte sehr viel Geld für diesen Urlaub ausgegeben, knapp bei Kasse und nahm das Angebot an. Dieses einzigartige Dokument verschwand hinter einem Schalter. Ich war ohne Fotoapparat unterwegs und so bleiben mir als Andenken wenige Stempel in meinem ersten Reisepass, eine schwer zu lesende Rechnung aus Portugal und verblassende Erinnerungen.
(Junger Mann mit Ostafrika-Karte und tropischer Raupe an einer Straße in den nördlichen Pare-Bergen, Tanzania)

Eine ähnliche Lücke gibt es im Sommer 1987 als ich nach meiner Landung in Nairobi, nachts mit einem Überlandbus nach Mombasa fuhr und von dort mit einem kleineren Bus weiter nach Malindi, wo ich einige Tage blieb. Von hier ging es über Tanga (wieder mehrere Tage) und Moshi in die nördlichen Pare-Berge, wo ich für vier Wochen in einem Dorf mit anderen Deutschen an einem kleinem Projekt teilnahm. Die rauschhaften Eindrücke meiner ersten Reise zu unseren Nachbarkontinent und durch Teile von Kenya und Tanzania schrieb ich detailliert in mein Tagebuch. Dieses wurde mir auf der Hinreise nach Shigatini zusammen mit einem kleinen Rucksack in Moshi gestohlen.
Das war so frustrierend, dass es dauerte bis ich ein neues Tagebuch begann und ich schreib nur wenig über die Tage vor dem Neubeginn. Unsere vier Wochen im Dorf und eine folgende Rundreise durch Tanzania hatten nur wenige Ruhezeiten. Viele Erinnerungen gingen verloren oder überlagern sich. Wenn mir meine Mutter nicht meinen ersten Brief aus Kenya wieder gegeben hätte (hier ist er wiedergegeben), dann könnte ich die Begeisterung nur schwer rekonstruieren.

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