Montag, 18. Juli 2011

Filmkritik: Harry Potter Teil 7.2 in 3D

Vorspiel
Was heutige 3D-Technik kann, wurde bereits vor dem Film gezeigt. Nach der üblichen Werbung kam die Aufforderung nun die Spezialbrille aufzusetzen und dann war es keine Werbung für einen kommenden Film, sondern ein Spot für Haribo, der Freude aufkommen ließ. Da konnten die Augen verschiedenen Objekten folgen, es war die Entscheidung des Sehenden, auf was er fokussierte. Die Trailer waren dann zum Teil Antiwerbung. Nachdem bereits Sherlock Holmes und Dracula für Adrenalin-Junkies modernisiert und mit unrealistisch jungen Charakteren verjüngt wurde, steht nun eine Modernisierung der »3 Musketiere« (in 3D) an. Die hatten doch tatsächlich die Frechheit auf den Originalroman zu verweisen, obwohl die Handlung deutlich verändert wurde. Tim Burtons »Alice« war nach Motiven von Lewis Carrolls »Alice« (1866) gedreht. Das wäre vielleicht auch die richtige Formulierung für den kommenden Mantel- und Degenfilm. Jugendliche und in der Pubertät stecken gebliebene Adoleszente, für die solche Filme gemacht werden und die dann auch in großer Zahl ins Kino strömen, wissen doch gar nicht wer Alexandre Dumas (der Ältere) war und werden sicherlich nie die vielen Hundert Seiten von vor 150 Jahren lesen.

Doch dann kam auch noch die Werbung für das Spielberg-Jackson-Jointventure »Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn« und mein Herz schlug höher. Hoffentlich darf Kapitän Haddock fluchen, rauchen und saufen und muss nicht wegen der US-Prüderie und Bigotterie zivilisiert werden. Leider wurde aus dem Trailer nicht deutlich, ob dieser spezielle Sympathieträger der Tintin-Serie dies auch im Film bleiben wird. (Nachtrag: Meine Filmkritik Tim und Struppi)

Hauptteil
Der Einstieg in Harry Potter 7.2 war direkt. Es wurde Voldemort beim Grabraub gezeigt und damit unmittelbar an Harry Potter 7.1 (meine Filmnotiz zum ersten Teil) angeschlossen. Die Geschichte ist bekannt und so kann ich auch im folgenden keine Geheimnisse verraten, welche die Spannung oder Vorfreude vor einem Kinobesuch berühren.
Es geht bei den HP-Filmen für die Lesenden darum, wie die Story umgesetzt wurde. Wurden Bilder gefunden, welche von J.K. Rowling evoziert wurden.

12 Euro kostete der Spaß an einem frühen Montagnachmittag im Cinemaxx Raschplatz. Das sind 4,50 Euro mehr als für einen normalen Film. Selbst, wenn ich jetzt noch einen Zuschlag von 1,00 Euro für einen Film in Überlänge abziehe, verbleibt ein 3D-Zuschlag von 3,50 Euro. 3D ist in der Produktion teuer und 3D in Hannover ist teurer für uns Besucher. Hier wird offensichtlich zu viel Geld kassiert, was ja dann auch durch die triumPHALen Gewinnmeldungen bestätigt wird. 3D im HP 7.2 ist besser als im letzten Jahr bei »Alice in Wonderland« (2010), aber noch weit entfernt vom visionären »Avatar« (2009) von James Cameron.

Zum Beispiel gleich am Beginn im Shell Cottage von Bill und Fleur. Hier kommt es zum Gespräch mit dem Kobold Griphook und darauf mit dem Zauberstabmacher Ollivander. Es ist jeweils nur der Sprechende fokussiert und die Zuhörenden sogar sehr unscharf. Hier fehlt schon die Idee von 3D, die mir erlauben würde, selbst zu entscheiden, ob ich auf den Sprechenden oder den Zuhörenden schaue.
Der Einbruch bei Gringotts fing schlecht an. Warum müssen Wachen in britischen Produktionen immer noch wie SA-Schergen aussehen? Und dann fragt ich mich, was die absurde Achterbahnfahrt soll. Seit »Indiana Jones and the Temple of Doom« (1984) gibt es immer wieder in Abenteuerfilmen Achterbahnfahrten in Bergwerken und anderen Hohlwelten. So also auch hier. Mit sinnlosen Stürzen und Loopings führen die Schienen immer tiefer unter London und wir sehen die Anspannung der Akteure in ihren Gesichtern und das wehende Haar verweist auf die Geschwindigkeit. Das ist so langweilig.
Doch hier ist dem Regisseur David Yates nur ein kleiner Vorwurf zu machen, da Rowling -zwar nur über wenige Zeilen- auch eine (Achter-)Bahnfahrt beschreibt. Das abrupte Ende nach dem Passieren des Thief's Downfall, der die bisherigen Schutzzauber auflöst, ist sehr gut dargestellt. Auch die folgenden Passagen mit dem Drachen und dem Gemino Fluch in Bellatrix Lestranges Schatzkammer sind faszinierend bebildert.

Die weitere Jagd nach den Horcruxen, um Voldemort zu schwächen, findet in Hogwarts statt. Erst im Verlauf der Handlung wird klar, was gesucht werden muss und wie viele Horcruxe es schließlich sind. Im Film bleibt vieles ungesagt. Im Buch erzählt zum Beispiel Neville Longbottom über mehrere Seiten, was sich alles in Hogwarts verändert hat, der Film kürzt dies ab und verzichtet damit auf kleine Zaubereien, die u.a. die versteckte Kommunikation zwischen den Gegnern von Voldemort erklärt.
Der letzte Teil zeigt natürlich die Schlacht zwischen Gut und Böse, doch dies nach meinen Empfinden nicht in epischer Breite wie im letzten Teil von »Herr der Ringe«. Diese Verkürzung gefiel mir. Eine lange Schlacht der Zauberer und anderer magischer Wesen würde sonst den Zauber der Geschichte beschädigen.

Chillout
Ja, es wird auch das Schlusskapitel "19 Jahre später" gezeigt! Damit hat J.K. Rowling die Geschichte so klar beendet, dass nur noch geldgierige Produzenten weitere Prequels und Sequels verbrechen können.
3D war gelungen, wenn der Film in der Virtualität handelte, doch nicht nur dort. Das letzte Gespräch zwischen Severus Snape und Lord Voldemort gewinnt durch die 3D-Darstellung.

Ich denke, dass einer der Gründe für den Erfolg der Potterei liegt darin, dass nur Lord Voldemort und seine unmittelbaren Todesser abgrundtief böse sind und alle anderen Personen mit guten und bösen Charakterzügen ausgestattet sind und sich immer wieder entscheiden müssen. Dies gilt auch für HP. Wenn es eine reine schwarz-weiß-Malerei wäre, dann wäre das Interesse frühzeitig erschöpft. Auch Dumbledore und Snape sind widersprüchlich in ihren Motiven und Handlungen. Und im letzten Teil gibt es sogar Sympathie für die Familie Draco.

Der Abspann war trotz der wenigen wirklichen 3D-Sequenzen im Film sehr lang und so konnte im Konzertsaal Kino für etwa 10 Minuten noch die Musik von Alexandre Desplat gehört werden. Die Musik gefiel mir nicht so gut. Desplat hat schon wunderbare Musik komponiert, ich erinnere nur an das »Das Mädchen mit dem Perlenohrring« (2003). Vielleicht war die Musik angemessen für dieses düstere Ende der Geschichte, doch sie war zu oft auf Bombast aus, wo eine Untermalung mehr gewesen wäre. Es ist natürlich müßig auf John Williams seine Musik für Harry Potter 1-3 zu verweisen, aber dessen Musik erzählt eine Geschichte, wie ich 2008 bei einem Konzert in Hannover erleben konnte.
Vor Jahren habe ich für mich eine Punkteskala für die Bewertung von Filmen formuliert. Sie reicht von 0 (schlecht) bis 10 (herausragend) Punkte. Dieser Film bekommt von mir 7-8 Punkte.
Und der beste Harry Potter-Film bleibt die Nr. 3.
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Siehe auch:

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