Donnerstag, 10. November 2011

Filmkritik Tim und Struppi 3D

Die Abenteuer von Tim und Struppi - 1 - Das Geheimnis der Einhorn
Regie: Steven Spielberg (USA, NZ 2011 107 Minuten)

Wenn zwei Größen der kommerziellen Filmkunst sich zusammentun, dann kann der Zuschauer was erwarten und sollte genau hinschauen. Steven Spielberg und Peter Jackson legen Wert auf großartige Bilder. So sollte ein Film entstehen, der im Englischen als Eye Candy bezeichnet wird.

Der Film ist großartig! Er hat Schauwerte.

Er ist einer der seltenen Filme, die bereits für den Vorspann eine Idee haben, die in einer besonderen visuellen Form präsentiert wird. Hier ist eine ganze Comic-Geschichte von Tim + Struppi, die in Silhouetten dargestellt wird. An deren Ende kommt es dann zur Überblendung zur 3D-Darstellung einer Marktszene in Brüssel in der späten Zwischenkriegszeit.

Da hier wie schon bei der Verfilmung der Harry Potter-Romane die Handlung vielen Zuschauern bekannt ist, auch wenn hier eine Mischung von drei Bänden von Abenteuer-Geschichten rund um den jungen Reporter Tim vorgenommen wurde, macht es wohl wenig aus, wenn ich zum Teil auch auf einzelne Szenen eingehe und nicht nur diese besondere Ästhetik des Films beschreibe.
Es ist ein 3D-Comic, der mit echten Menschen gedreht wurde und deren Einzelbilder anschließend in digitale Varianten von Zeichnungen zurückentwickelt wurde (Performance-Capture Verfahren, siehe Wikipedia). Das wurde in den letzten Jahren schon öfters genutzt. Sei es Gollum im HdR oder die Elfen und andere magische Wesen mit menschlichen Proportionen in der HP-Welt. Doch hier wurden alle Wesen und die Orte "gezeichnet". Es ist ein kurioses Retro, da in den letzten Jahren immer größerer Wert auf eine noch realistischere Darstellung von digitalen Wesen in Filmen mit Menschen oder reinen digitalen Produktionen gelegt wurde (es sei an die Haare von Shrek oder von Sulley aus der Monster AG erinnert). Hier versucht die digitale Technik einen Schritt zurück zu gehen in der Darstellung des Meeres, der Wüste, Orten und einzelnen Gebäuden.

Die Personen und Tiere wirken realistisch. Was sie von echten Menschen unterscheidet, ist ihre Farbe und die für Hergé-Comics charakteristischen Nasen. Kapitän Haddock erschien mir zu zarm. Ich hatte mehr und vor allem deftigere Flüche erwartet. Tim ist dagegen wirklich manchmal eine Comic-Figur, vor allem wenn er nachdenkt und im Selbstgespräch mit Struppi schließlich eine Idee oder Lösung findet. Da fehlt wirklich nur noch die strahlende Glühbirne über seinen Kopf.
Manchmal gibt es amüsante Referenzen an diese Symbolik der Comic-Welt. Nach einem Sturz kreisen plötzlich kleine gelbe Vögel um den Kopf des Gestürzten, als die Szene erweitert wird, ist zu sehen, dass der Sturz vor einer Tierhandlung stattfand und dabei aus einem Vogelkäfig Kanarienvögel frei gelassen wurden.
Leider gibt es auch typisch Spielberg-Szenen. Er hat einen Hang zur choreographierten Action seit seinen Filmen 1941 und der Indiana Jones-Serie. Das ergibt unnötige Längen. Dies gilt bei diesem Film sowohl für den historischen Kampf mit den/dem Piraten als auch die Neuauflage dieses Kampfes zwischen den Nachkommen.
Seitdem Computerspiele ein wesentlicher Teil der Vermarktung einer Hollywood-Produktion sind, gibt es Filmszenen, die in ihrer Aneinanderreihung von Flucht und/oder Verfolgung wie Werbung für das zu kaufende Spiel wirken. Das war offensichtlich beim Podrennen in George Lucas Star Wars I, das wesentlich zur Handlung beiträgt, aber im Spiel wichtig ist. Hier bei Tim + Struppi ist es eine Verfolgungsjagd vom die Stadt überblickenden Palast hinunter durch die Stadt zum Hafen. Es gibt sogar so etwas wie eine Achterbahnfahrt (siehe Indiana Jones II oder HP 7.2). Es ist eine Mischung aus Action und Slapstick, die einfach viel zu lange dauert.
Es ist ein 3D-Film und entsprechend kostete ein Ticket hier in Hannover €11,50, doch würde ich klar sagen, dass dieser Film auch als normaler Film (und später auf den Bildschirmen) große Schauwerte hat. Es wird gar nicht so viel mit 3D-Effekten gespielt. Es gibt eine wohltuende Normalität der Dreidimensionalität. Für mich stellt sich nur die Frage, warum ein Comic als Comic-Adaption in 3D produziert wurde. Die Vereinfachung von Hintergründen ist ein Wesenselement des Comics und verhindert hier das ein Blick in eine Landschaft oder auf eine Stadt das Spiel mit den verschiedenen Blickebenen erlaubt. Dafür sind die Spielbergfilme auch viel zu schnell. Das Auge wird geführt, sieht mal eben eine Stadt oder eine Landschaft. Der Zuschauer hat keine Zeit innerhalb eines Bildes etwas anderes zu betrachten. DAS macht den Unterschied zur 3D-Darstellung in James Camerons Avatar aus.

Doch ich möchte meine Filmkritik mit Lob beenden. Es ist gelungene Unterhaltung. Und es gibt echte Perlen zu sehen. Spielberg pflegt die kunstvolle Überblendung von einer Szene in die andere. Wenn Kapitän Haddock in der Wüste von einem Schiff im wilden Meer erzählt, verwandeln sich die Dünen in Wellen. Oder der Blick wird auf ein Detail gelenkt und in in diesem Detail erscheint klein die nächste Szene, die dann zur vollen Größe aufgezogen wird. Da gab es ein Beispiel, da hätte ich beinahe applaudiert, doch dann nur meine Freude verbalisiert.

Mal sehen wie der zweite von den drei geplanten Filmen des Spielberg-Jackson-Joint Venture im Jahre 2014 wird. Mit Jackson als Regisseur wird hoffentlich die Geschwindigkeit reduziert und ein ruhiger Blick möglich.

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