Mittwoch, 8. Februar 2012

Filmkritik zum Stummfilm "The Artist" von Michel Hazanavicius

„The Artist“ (F, USA 2012, 100 Minuten)
Regie: Michel Hazanavicius

Im Feuilleton und in den Kultursendungen von Radio und TV wurde seit den Filmfestspielen in Cannes (Mai 2011) viel Gutes über diesen Film gesagt. Es ist alles berechtigt und der Film ist noch besser als die professionellen Kritiken.

Ein Stummfilm im Stil der späten 1920-er Jahre, der klar vorführt, woran es vielen Filmen der letzten Jahre mangelt. Es ist nicht die relativ einfach Geschichte des Künstlers, der sich nicht der neuen Technik öffnet, scheitert und nur durch die Liebe wieder Boden unter den Füßen bekommt. Nein es ist das visuelle. Dabei ist es so banal, eigentlich sollte es im Kino um das bewegte Bild gehen, doch all zu oft ist es gefilmter Wortwitz (Komödien), Anbetung von Fetish (Action mit Waffen und schnellen Vehikeln) oder einfach nur langweiliger Krawall.

Schwarz-Weiß-Filme erfordern eine Komposition der Bilder. Welche Schatten sind wann zu sehen, wie wird Architektur (innen und außen) ins Bild gesetzt. Es gab so viel zu sehen in diesem Film. Das Filmstudio und ein Treppenhaus dort sind Bilder, die bleiben.

Der Regisseur beweist immer wieder einen wunderbaren Humor. Das fängt schon in der Eingangssequenz an, wo der Künstler in einem Film vermutlich durch seinen Hund gerettet wird. Die aktuellen Zuschauer sehen dies nicht, da der Film zum Publikum schwenkt und die Rettung nur in den Reaktionen des Publikums zu sehen ist. Im Film gibt es auch immer Hinweisschilder im Hintergrund „Silence please“ oder in den eingeblendeten Texttafeln wird mehrmals auf das Schweigen verwiesen. Die einzige laute Einblendung (Päng!) ist dann auch ein Spiel mit dem Zuschauer. Ein anderer Teil des Humors ist die Referenz an Unterhaltungsfilme der 1920-er Jahre, die im „Hollywoodland“ entstanden.

Es ist ein sehr stilistischer Film. Die Konsequenz des Stummfilm zeigt sich im ungewohnten Bildformat oder in der fast durchgehenden Filmmusik, die zum Teil sehr lustig ist. Wenn dann einmal keine Filmmusik läuft, war nur der Projektor im Hintergrund zu hören. Das vielköpfige Publikum im Kino in Hannover war wunderbar leise, so dass Stille wie auch Musik ihre volle Wirkung entfalten konnten. Ohne Dialog und Geräusche konzentriert man sich viel mehr auf die Details des Schauspiels und der Ausstattung.

Doch zurück zur Referenz an die 20-er Jahre und seine Filme. Der Künstler heißt George Valentin, was wohl eine Referenz an den Frauenschwarm und Hollywood-Star Rudolph Valentino ist. Die Geschichte erinnert an Douglas Fairbanks (sen.), der zum Ende der Stummfilmzeit seinen Höhepunkt überschritten hatte und sich nach der Trennung von der Schauspielerin Mary Pickford vom „King of Hollywood“ zum Untertanen vom König Alkohol wandelte. Und bei der Tanzszene musste ich an Fred Astaire und seine deutlich jüngere Tanzpartnerin Ginger Rogers denken.

Als letzten Teaser möchte ich darauf verweisen, dass neben den beiden Hauptdarstellern, die beide für mich unbekannte Gesichter waren, sehr viele bekannte Gesichter mitspielen. Da macht sich die Stille dann besonders bemerkbar, wenn auf die Feinheiten der Mimik geachtet wird.

Auf meiner Skala der Filmbewertung erhält "The Artist" die seltene Auszeichnung 9 von 10 Punkten.
Wenn mir einer erklären kann, warum Michel Hazanavicius im Abspann u.a. Diego Maradona dankt, wäre auch ich dankbar.

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