Dienstag, 17. Juni 2008

Unzuverlässliche europäische Elite

Der Weiterentwicklung der Europäischen Union wird immer wieder nachgesagt und vorgeworfen, dass dies ein Projekt alleine der Eliten ist. Die Reaktionen der europäischen Regierung auf das NEIN der irischen Bevölkerung zum Vertrag von Lissabon bestätigt diese These.
Vor der Abstimmung wurde von diesen Regierungen betont, dass der Ausgang der Abstimmung eine Bedeutung für die Ratifizierung hat. Als nun selbst nach Werbung der gesamten politischen Elite Irlands die Bevölkerung diesen Vertrag ablehnte, war davon keine Rede mehr. Nun soll weiter ratifiziert werden und mit einem juristischen Trick diese "Krise" (welche Krise) überwunden werden.

Die so genannte politische Elite in Europa hat schon mehrmals gezeigt, dass Sie keinerlei Interesse an einer wirklichen Demokratisierung des europäischen Projekts hat.
Der Entwurf einer Verfassung für die Europäische Union wurde von einem gerontokratischen Zirkel unter den Namen Verfassungskonvent um den ehemaligen franzöischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing im Jahre 2003 erstellt und 2004 von den von den Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet. Die Mitglieder des Verfassungskonvent hatte keinerlei demokratische Legitimation und wurden von den einzelnen Regierungen ernannt.
Die Ratifizierung der Verfassung wurde in vielen Staaten (u.a. Deutschland) durch die Parlamente vorgenommen, doch hatten gleich mehreren Länder hioerfür ein Referendum angesetzt. Am 20. Februar 2005 fand ein konsultativen, also rechtlich nicht bindendes Referendum in Spanien statt. Die Bevölkerung stimmte mit Dreiviertel-Mehrheit für den Text des Verfassungsentwurfs. Da war die Demokratie noch in Ordnung. Als aber am 29. Mai 2005 die französische Bevölkerung und zwei Tage später das niederländische Volk den Text ablehnten war eine Panik unter der Elite zu bemerken.
Die Ratifizierung wurde damals gestoppt (eine Denkpause hies es offiziell).

Während der deutschen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 wurde ein zweiter Versuch konkretisiert und während der nachfolgenden portugiesischen EU-Präsidentschaft als Vertrag von Lissabon verabschiedet. Die Kritik aus Frankreich und den Niederlanden wurde ignoriert und der Vertrag von Lissabon ist zu mehr als 95% textidentisch mit dem Verfassungsentwurf, darf sich jetzt nur nicht mehr Verfassung nennen. Alle kritischen Punkte (Militarisierung der EU, Demokratiedefizit, Wirtschaftsweise) wurden nicht verändert. Dennoch behauptet die politische Elite, dass dies ein neuer Vertrag sei und deshalb nun eine neue Ratifizierung notwendig ist. Die Regierungen von Frankreich, Niederlande, Spanien, Großbritannien (die auch ein Referendum für den Verfassungsenwurf vorgesehen hatten) sorgten dafür, dass diesmal der Text nur noch durch die Parlamente ratifiziert wird. Deutschland hat auch wieder ohne große Debatte in der Bevölkerung den Text ratifiziert. Irland ist das einzige Land, dass von seiner Verfassung verpflichtet ist, dass so elementare Texte dem Volk vorgelegt werden müssen.

Die so genannte Demokratisierung durch den Vertrag von Lissabon ist eine Augenwischerei. Es soll nun qualifizierte Mehrheitentscheidungen der Regierungen geben. Wenn mir nur ein Mensch gezeigt würde, der bei seiner Wahl für ein nationales Parlament auch bewusst seine Entscheidung für europäische Politik im Kopf hat, wäre ich erstaunt. Nationale Regierungen, die keine legitimation für europäische Politik haben, entscheiden über europäische Programme!
Das Europaparlament erhält nur wenige neue Rechte. Das nun ein Bürgerbegehren möglich ist, wenn eine Million Unterschriften vorgelegt werden, erscheint praktisch unmöglich (siehe meinen früheren Text zu diesem Thema).

Die so genannte politische Elite in Deutschland und sogar in ganz Europa ist erbärmlich in ihrer Feigheit vor dem Volk. Viele Länder hätten nach einer Diskussion den Text (wieder) abgelehnt.

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