Sonntag, 23. November 2008

Vortrag Schellnhuber in der HAB

Am Freitag, den 21. November 2008 fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Politik im Gespräch“ ein Vortrag mit anschließender Diskussion von Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, CBE (Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung in Bibliotheca Augusta in Wolfenbüttel statt. Das Thema lautete:
Die Neuerfindung der Moderne
Klima- und Energiesicherheit im 21. Jahrhundert


Dies sind meine Gedanken zu diesen Abend. Viele Ausführungen wurden notiert, aber keine davon ist als ein Zitat zu verstehen.

Das Grußwort und die Einführung in die Person kam vom Bundesminister Sigmar Gabriel, der gleichzeitig der lokale MdB ist. BM Sigmar Gabriel ist die Person des Vortragenden wohl bekannt, da dieser zu den Beratern der Bundesregierung in Umweltfragen gehört und wesentlich am Entwurf der umweltpolitischen Agenda während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und des G8-Gipfels beteiligt war.

Gabriel wagte zunächst eine Ausführung zur Frage der Moderne, die sich alleine schon daraus ergab, dass in der HAB die Erforschung des Beginns der Moderne erfolgt. Er verwies darauf, dass es gerade die Betrachtung der Konflikte von Moderne und Vormoderne sind, die uns den Weg weisen können.
Aktuell trifft die Vormoderne auf die Moderne in zwei global betrachteten Feldern. Piraten überfallen wie im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit Schiffe, die einen wesentlichen Beitrag zur globalen Wirtschaft leisten. Vormodernes Denken, das keine Regeln akzeptiert bestimmt viele Transaktionen der Finanzwirtschaft und handelt damit gegen die Interessen der modernen Gesellschaft, die ohne Regeln nicht denkbar ist.

In einer weiteren Analogie kann die Finanzwirtschaft mit der Umweltpolitik verglichen werden. Faule Kredite ohne jede realistische Chance der Zurückzahlung waren Grundlage einer Illusion auf dem Immobilienmarkt. Auch im Bereich der Umwelt werden ständig faule Kredite auf die Zukunft genommen. Diese Illusion der Kontrollierbarkeit der Umwelt kann jederzeit wie die Blase der modernen Finanzwirtschaft platzen.

Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber ist von seiner akademischen Ausbildung her Mathematiker und Physiker. Er ist der Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und prominentes Mitglied im „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (=IPCC), die 2007 zusammen mit Al Gore den Friedensnobelpreis bekamen.

Er sprach zunächst von der Zukunftsforschung und inwieweit sich die Prognosen der Klimaforscher von Prognosen der Wirtschaftsforscher („Die Wirtschaftsweisen“) und der so genannten Zukunftsforscher unterscheiden. Den Klimaforschern stehen mit den größten Rechneranlagen der Welt zur Verfügung und ihre Prognosen haben eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 80 und mehr Prozent. Zukunftsforscher benutzen keine Statistik und sind eigentlich keine Forscher und die Wirtschaftsweisen geben zwar alle halbe Jahre eine Prognose der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung, die aber nie mit der Realität übereinstimmt und dennoch wird diesen Berichten eine große Aufmerksamkeit gewidmet.
Prognosen zum Klimawandel sind sicher, denn die Treibhausgase, die in den nächsten Jahrzehnten wirksam werden, sind bereits in der Atmosphäre.

Prof. Schellnhuber sieht eine Zeitenwende auf uns zukommen und die aktuelle wirtschaftliche Krise als Chance für ein Umsteuern auf ein nachhaltiges Wirtschaften. Wir befinden uns einmal mehr in einer großen Transformation, welche die große Beschleunigung nach 1945 beendet. Ohne das billige Rohöl hätte es nicht die wirtschaftliche Entwicklung gegeben, die wir erlebten. Nun stehen wir an einer Zeitenwende, wie zuletzt am Ende des 18. Jahrhunderts, als Holz als Baustoff und Energieträger in eine Krise kam und gleichzeitig viele Äcker ausgelaugt waren. Diese Krise schuf die nachhaltige Holzwirtschaft und führte zum Erschließen der fossilen Energieträger Kohle und seit etwa 1850 auch Erdöl. Gleichzeitig begann damals das systematische Düngen von landwirtschaftlichen Flächen.

Ihn als Klimaforscher wird von der Politik und der Wirtschaft immer wieder eine Doppelfrage gestellt, wenn er auf die Notwendigkeit eines Wandels der Wirtschaftsweise verweist: Warum jetzt und warum wir hier?

Warum jetzt!
Der Meeresspiegel steigt schneller als noch im Jahre 2001 im Bericht der IPCC prognostiziert. Dort wurde zwar auf die fehlende Datenbasis aus dem Schmelzprozess des Inlandeises verwiesen, aber keine Zahlen in die Prognose eingearbeitet. Nun ist bekannt, dass jährlich 200 Kubikkilometer Eis alleine auf Grönland schmelzen und es gibt erste Berechnungen zum Schmelzwasser des Himalaja.
Mal kurz rechnen =
Wie viel Eis/Wasser währe auf der Fläche Deutschlands (357.092,90 km²),
bei 200 km³ Eis?
200 km³ sind 200.000.000.000 m³
358.092,90 km² sind 358.092.900.000 m²
Auf jeden Quadratmeter Deutschlands würde eine
55 Zentimeter hohe Eisschicht liegen.
OK, Deutschland ist im globalen Maßstab betrachtet kein wirklich großes Land.
Die Erde hat 510.100.000km² und alle Ozeane 361.100.000km² dann wären es 0,55mm/a Meeresspiegelanstieg alleine durch den Schmelzprozess in Grönland.
Doch zurück zum Vortrag:
Warum haben die Klimaforscher eine maximale Grenze der Erwärmung von global 2° Celsius für die Beherrschbarkeit des Klimawandels definiert? Dies ergibt sich aus den sogenannten Kipp-Prozessen. Elemente, die zum Klimawandel beitragen verhalten sich nicht linear. Beim Überschreiten bestimmter Werte beschleunigen sich die Prozesse. Wesentlich sind hierbei der Permafrost der nördlichen Breiten, das tibetanische Hochplateau, der Amazonas-Regenwald und das Great Barrier Reef. Die letzten beiden sind die größten Biotope auf Land und im Ozean und damit für die Bindung von CO2.
Der Permafrost in Sibirien und Kanada bindet große Mengen von Methan. Methan ist ein 25-mal wirksameres Treibhausgas wie Kohlendioxid. Wenn nun der Permafrost taut, wird Methan freigesetzt und sich der Temperaturanstieg beschleunigen.
Das tibetanische Hochplateau ist ein Kühlschrank für Asien und das Weltklima. Die Gletscher und vereisten Seen fingieren wie Spiegel und reflektieren die Sonneneinstrahlung. Mit dem Tauprozess wird die Sonnenenergie auf den dunkleren Boden in Wärme umgewandelt. Auch hier kommt es zu einer Beschleunigung der Erwärmung.
Nach den Prognosen der Klimaforscher gibt es eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sich mit der Erwärmung, der unvernünftigen Nutzung durch Wirtschaftsinteressen und der allgemeinen Versauerung von Atmosphäre und Meerwasser der Amazonas bis zum Ende des Jahrhunderts in eine Steppe verwandelt und das Great Barrier Reef abstirbt. 2° Celsius als Temperaturanstieg sind eine optimistische Prognose, die davon ausgeht, dass sich in den nächsten Jahrzehnten unsere Energieproduktion und –verbrauch vollständig wandelt. Seit 1900 ist die globale Temperatur bereits um 0,8° gestiegen und die Weltwirtschaft hat bereits Treibhausgase für einen weiteren Temperaturanstieg von 1,6° emitiert. Das dies noch nicht wirksam ist, liegt zum einen an den langsamen Prozessen in der Atmosphäre und zum anderen an der Luftverschmutzung beim Ausstoß von Kohlendioxid. Schwefeldioxid und andere Schadstoffe haben eine Kühlungseffekt, da sie die Sonneneinstrahlung reflektieren. Der Einbau von Filtern in Kraftwerken in China würde die Luft reinigen und die Wirksamkeit des Kohlendioxid freisetzen.
Die zweite Frage der Skeptiker lautet stets: Warum sollen wir hier etwas gegen den Klimawandel tun?
Ökonomisch betrachtet würde Europa und Deutschland in der Zukunft den „first mover advantage“ haben. Wenn bis 2020 der Wandel in der Energieproduktion weltweit stattfindet, würden die Staaten, die bereits vorher mit diesen Prozess begonnen haben, vorteile auf den Weltmarkt haben. Hier wären die Beispiele für eine saubere Industrie.

Prof. Schellnhuber machte nun eine ungewöhnliche Analogie.
Er verglich das Beharren auf die bestehende Wirtschafts- und Energieordnung mit dem Beharren auf die Sklaverei vor 1800.
Selbst Adam Smith erklärte, dass es keine Wirtschaft ohne Sklaverei geben kann. Als die Gegner der Sklaverei öffentlich argumentierten und Einfluss gewannen, sagten ganze Wirtschaftszweige wie die britische Werftindustrie, dass sie dann nach Frankreich abwandern würden, wo Sklaverei erlaubt sei.
In Europa wird nun auch so getan, als wenn eine weniger energieintensive Produktion undenkbar wäre und Energiefresser wie die Aluminiumindustrie drohen bereits mit der Abwanderung in andere Regionen.

Der Blick in die Zukunft von Prof. Schellnhuber war illustrativ. Er setzte die energetische Zukunft auf Photovoltaik und Energieeffizienz in Europa und die Erzeugung von elektrischer Energie im Großmaßstab in Nordafrika. Er verwies darauf, dass Atomkraft keine Zukunft hat, denn in einen Monat Sonneneinstrahlung in der Sahara würde mehr Energie die Erde erreichen, als in allen spaltbaren Uranvorkommen der Erde zusammen. Atomkraft ist dabei ähnlich wie die Energieerzeugung mit fossilen Brennstoffen. In einen Jahr würden davon so viele verbrannt, wie in einer Million Jahren erzeugt. Es geht hier um absurde Relationen.
Die Kraftwerke in Nordafrika müssten mit Gleichstrom die Energie nach Europa transportieren. Dies hätte beim heutigen Stand der Technik nur ein Energieverlust von etwa 15 Prozent von Nordafrika nach Nordeuropa zur Folge. Zum Vergleich, der Verlust durch Leckage liegt beim Erdgastransport von Russland nach Westeuropa auch bei 15 Prozent.

Von der folgenden Diskussion kann ich nicht mehr viel berichten, da mein Zug nach Hannover mich zum Aufbruch drängte.
Nur zwei Gedanken gegen die Zukunftsvisionen von Prof. Schellnhuber:
  1. Die Energieproduktion im Großmaßstab ist eine der Quellen der Krisen. Nur sehr große Betriebe können an dieser Produktion und dem Transport der Energie teilhaben und damit wird eine Abhängigkeit von wenigen Akteuren fortgesetzt.
  2. Die Sahara ist nicht bekannt für ihre Sonneneinstrahlung sondern auch für Sandstürme, die jede Art von Technik beschmutzen und zerstören können.
Auf meiner Skala von Vorträgen gebe ich diesen Vortrag ein D und sehe ihn damit in der zweithöchsten Kategorie.

Samstag, 22. November 2008

Schneegen

Gestern war es dann soweit. Zunächst fiel immer wieder Nieselregen mit hellen Beimischungen. Dies waren zum Teil kleine Eiskristalle und irgendwann auch wirkliche Schneeflocken. Bei meiner Rückkehr nach Hannover erwarteten mich fünf Zentimeter tauender Neuschnee. Die Flocken fielen so dicht, das sie den noch nicht abgekühlten Boden schneller als der Tauprozess bedeckten. Es war kein reiner Schnee, denn ein Teil taute bereits während des Niederschlags. Halt kein Schnee-Regen, sondern pappiger Schnee, den ich mal als Schneegen bezeichnen möchte. Als der Schneefall aussetzte, taute die Pracht vom Boden her auch bereits wieder auf. Jeder Schritt hinterließ einen schwarzen Abdruck, da sich der Schnee vollständig unter den Sohlen auflöste.
Die Kälte der Nacht sorgte dafür, dass zumindest im Hinterhof eine weiße Pracht bis zum Morgen liegen blieb.

Donnerstag, 20. November 2008

Anti-AKW: WAA Dragahn 1982-85

Als ich vor zehn Tagen mit Freunden in Gorleben war, sprachen wir auch über die Geschichte des Widerstands gegen die Atommafia und ihren diversen Plänen für das Wendland. Ich erwähnte Dragahn und sah nur fragende Gesichter. War da was?
Ja, da war was!
Dragahn gehört zur Gemeinde Karwitz und liegt sieben Kilometer westlich von Dannenberg. Im Süden führt die nun stillgelegte Bahnstrecke Uelzen-Dannenberg vorbei und der Bund besaß in Dragahn eine militärische Altlast (Die Hamburger Waaren-Commissionsgesellschaft AG betrieb von 1938-1945 in Dragahn eine Munitionsfabrik; in der Bundesrepublik wurde dort dann bis in die 1980-er Jahre Munition vernichtet), die über ein Anschlussgleis vom Bahnhof Pudripp zu erreichen war.
Am 1. November 1982 informierte der niedersächsische Ministerpräsident Dr. Ernst Albrecht Kommunalpolitiker im Wendland über seine Pläne in Dragahn eine Wiederaufbereitungsanlage (=WAA) für Atommüll errichten zu lassen. Im Februar 1977 hatte Albrecht hierfür zunächst Gorleben vorgeschlagen, doch der sich schnell entwickelnde Widerstand, der in den Gorleben-Treck nach Hannover mündete führte im Mai 1979 zu einer Regierungserklärung, in der diese Pläne für den Landkreis Lüchow-Dannenberg aufgegeben wurden. 1982 wurde zunächst darauf verwiesen, dass es sich hierbei nur um einen Verzicht des WAA-Standorts Gorleben gehandelt hatte.Gorelbenstein vor dem Pavillon Hannover. Foto: Jürgen D. Müller
(Gorlebenstein vor dem Pavillon in Hannover; Foto: JDM)

Die Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen (=DWK) gab dann auch schnell bekannt, dass sie den Standort Dragahn neben den Standort Wackersdorf, Bayern erkunden würden. 1983 gab es dann die ersten großen Demonstrationen gegen diesen Wortbruch des Ministerpräsidenten und vor allem gegen die weiteren Planungen das Wendland zu einem nur mit militärischen Mitteln zu schützenden Atomzentrum zu machen. Strategische Überlegungen waren eine der wesentlichen Grundlagen für die Auswahl des Wendlands.Am 30. April gab es dann ein spektakuläre Aktion von uns Atomkraftgegnern, über die ich mit den gehörigen Abstand nun wohl auch einmal berichtet werden darf. Für einen Tag sollte der Zugang zum Wendland behindert werden. Straßen sollten blockiert werden und damit der Politik gezeigt werden, dass Atomtransporte effektiv behindert werden können. An fünf Stellen sollten symbolische und konkrete Blockaden entstehen. Da alles offen diskutiert wurde, waren die Ordnungskräfte, die mit Sicherheit viele Spitzel unter den Demonstranten hatten, gut informiert und bereits "vor Ort". Doch wir Atomkraftgegner waren und sind nicht straff organisiert; es wurden schnelle Entscheidungen in Kleingruppen getroffen (es gab keine Rädelsführer!) und so wurden am 30. April trotz Verhaftungen von hunderten von AKW-Gegnern immer wieder in wenigen Minuten Blockaden aus den an den Waldrändern liegenden Stapeln von geschlagenen Holz errichtet. Dies geschah an so vielen Stellen und zum Teil mehrere Male an derselben Stelle. Denn nachdem die Polizei eine Blockade weggeräumt hatte und zum nächsten Einsatzort fuhr, wurde das Material "wiederaufgearbeitet" und fertig war die Blockade.
Solche Demonstrationen wurden im Herbst noch einmal wiederholt und am 4. Februar 1985 gab es einen Teilerfolg, als offiziell der Standort Dragahn für die WAA aufgegeben wurden und die DWK nun nur noch in Wackersdorf weiter arbeiten wollte.

Die Blockaden gegen die bisher elf Atomtransporte nach Gorleben haben also ihre Vorläufer. Heute definiert die Politik den Tag X (im kalten, nassen Spätherbst). In den 1980-er Jahrne definierten wir den Tag X.

- - - - -
Quellen und weitere Informationen: Eigene Erinnerungen; ein autobiographischer Rückblick von Wolfgang Ehmke (29.03.2008) und ein Artikel von Kai Schöneberg zur Geschichte des Standorts Gorleben in der taz (07.11.2008).
Nachträge: Erinnerungen eines CDU-Politikers (Dezember 2008), Impressionen vom Aktionstag gegen die CASTOR-Transporte (November 2011)

Samstag, 1. November 2008

Pastéis de Belém aus Lisboa

Eines der Vorteile meines Berufes ist, dass aus den dort getroffenen jungen Europäerinnen und Europäern oftmals Bekanntschaften und manchmal auch so etwas wie Freundschaften werden. Vor einer Woche habe ich mal wieder ein Gästezimmer zur Verfügung gestellt und als Dankeschön erhielt ich nach der Rückreise aus Lissabon eine Packung Pastéis de Belém und eine Tüte mit Maronen, die ich demnächst einmal im Backofen zubereiten werde.

Pastéis de Belém ist ein leckeres Törtchen aus Blätterteig mit einer Füllung aus Vanillepudding.
Belem ist nicht nur eine Millionenstadt in Brasilien, sondern auch Stadtteil von Lissabon wenige Kilometer westlich der historischen Innenstadt.
Die Pastelaria „Fábrica dos Pasteis de Belém", welche diese Spezialität herstellt, wahrt das Geheimnis der Zutaten und der Zubereitung und damit so etwas wie ein Monopol für dieses Produkt.

Sechs Törtchen später sagte ich einfach nur: LECKER!