Xu Bing
Book from the ground
from point to point
Massachusetts Museum of Contemporary Art: The MIT Press, Cambridge 2013
(Erstauflage ohne Untertitel, Guangxi Normal University Press, 2012)
Wie lässt sich ein Buch beschreiben, dass ohne Buchstaben auskommt. Der chinesische Künstler Xu Bing hat über einen Zeitraum von 10 Jahren Piktogramme gesammelt und auf 112 Seiten 24 Stunden im Leben von Mr. Black nacherzählt.
Es ist die alltägliche Geschichte eines Büroangestellten, der um 7 Uhr geweckt wird und bis 9 Uhr an seinem Arbeitsplatz in einem Bürohochhaus ankommt, sich irgendwie durch den Arbeitstag mogelt, seinen Abend plant und feiert, sehr spät nach Hause kommt, noch fernsieht, von einer Mücke am Einschlafen gehindert, kurz und unruhig schläft, nach einem Alptraum nicht mehr einschlafen kann, stattdessen am Computer spielt, bis er merkt, dass er sich für die Arbeit fertig machen muss und damit für ihn der nächste Tag beginnt.
Es werden alle Aktivitäten, selbst das Banale gezeigt. Mit Amüsement sah ich, dass er "auf Arbeit" sehr unproduktiv ist.
Das klingt zunächst nicht wirklich interessant, doch der Spaß dieser Geschichte liegt nicht in der Handlung, sondern wie diese erzählt wird. Wie der Lesende die Piktogramme entschlüsselt und lernt zwischen Dialogen sowie Gedanken und Träumen zu unterscheiden.
Viele Piktogramme sind geläufig. Die 24 Kapitel sind mit der jeweiligen Uhrzeit überschrieben. Im Kapitel erinnern weitere Ziffernblätter immer wieder an die aktuelle Zeit und wie lange manche Aktivitäten dauern. Die unterschiedlichsten Smileys informieren über die Gefühle des Protagonisten und seiner Gesprächspartner. Und dann gibt es die weiter über Tausend anderen Zeichen, die es Xu Bing erlauben ganze Sätze mit Nebensätzen und Einschüben zu "schreiben".
Doch es ist kein Schreiben, auch kein Zeichnen, denn es sind geläufige Piktogramme, es ist eher wie bei einem Zeichensetzer oder Drucker die Auswahl der Buchstaben, die in den Drucksatz gesetzt werden.
Um mal ein Beispiel aus seiner Morgenaktivität zu beschreiben. Aus 11 Piktogrammen, 9 Satzzeichen und 4 Pfeilen entsteht durch Xu Bing ein Satz: Er drückt auf den An-Knopf des Radios, wo er den Wetterbericht hört, der zunächst Regen, gefolgt von Aufheiterungen und wieder Regen bei sinkenden Temperaturen vorhersagt, er denkt dabei, dass er seinen Regenschirm brauchen wird.
Das Buch ist Kunst und sollte nicht in einem Zug dechiffriert werden. Ich empfehle es für den Nachttisch und jeden Abend können 1-2 Stunden von Herrn Black beobachtet werden.
(Für Sara, die mir ein Druckexemplar dieses Kunstwerks aus Cambridge, MA mitgebracht hat)
Webseite von Xu Bing und des Verlags.
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