Am nördlichen Stadtrand von Rotenburg gab es früher den Jägerhof mit angeschlossener Gastwirtschaft.
Meine Eltern waren für zwei Saisons die Pächter des Betriebs.
Einige persönliche Erinnerungen aus dieser Zeit als Gedenken an meinem Vater Hans-Peter Müller (1939-2013).
Wenn man von der Harburger Straße kurz vor dem Ortsausgangsschild rechts in die Brockeler Straße eingebogen war, so führte auf der linken Seite ein Stichweg zum Jägerhof. Man fuhr auf einen Feldweg an einer Koppel mit Schafen vorbei, dann gab es dort Spielgeräte für Kinder und schließlich das niedrige Gebäude mit der überdachten Veranda.
Die Autos parkten direkt davor. Durch die Gastwirtschaft ging es einige Stufen hinab zum Schießstand. Rechts vom Jägerhof war eine offene Wiese, die von Büschen und Bäumen umgeben war. Hier wurde bei Interesse eine Schleuder für Tontauben aufgestellt, welche die Jäger und Gäste im Flug mit großen Schrotpatronen beschossen.
Der Besitzer war F.H. sen., der in Rotenburg seit mindestens 1939 die Kneipe neben dem Capitol-Theater betrieb. Der Pachtvertrag wurde natürlich nicht zwischen meinen Eltern und F.H. abgeschlossen. Wir schrieben das Jahr 1966 und Verträge wurden vom Ehemann Hans-Peter Müller unterzeichnet, auch wenn der Vertrag Arbeit und Verantwortung für beide Ehepartner bedeutete.
Meine Schwester und ich verbrachten sehr viele Wochenenden auf dem Gelände des Jägerhofs.Wir hatten absolute Verbotszonen und ansonsten sehr viel Freiheit. Da es ein Feldweg war, der zum Gelände führte und die Autos weder Allrad noch hohe PS-Zahlen hatten, ging von der Zufahrt oder Abfahrt der Schützen vom Gelände keine Gefahr für uns aus.
Ich erinnere mich, dass die Schafe mir zunächst riesig vorkamen. Aber ich war da auch erst 4 oder 5 Jahre alt und bin heute vor allem darüber erstaunt, dass ich mich an so etwas erinnern kann.
Im April 1966 hatten meine Eltern erstmals Dienst im Jägerhof. Der Schießstand war vor allem an den Wochenenden geöffnet. Ein Kalender meiner Mutter und ein im Jahre 1967 begonnenes Gästebuch geben einige Informationen über den Jägerhof.
Samstags war der Jägerhof vom späten Vormittag bis zum Nachmittag und am Sonntagvormittag bis zur Mittagszeit geöffnet.
Meine Mutter begann irgendwann, unser sonntägliches Mittagessen mit zu bringen. Die Familie des Schießwarts (?) D.H. brachte auch etwas mit und so saßen wir regelmäßig mit sieben Personen an einem Tisch und aßen die aufgewärmte Mahlzeit.
In der Gastwirtschaft gab es die üblichen Getränke und als Essen vor allem Bockwurst mit Toastbrot und Senf sowie selbst gemachte Buletten. Letztere liefen nicht so gut, da zunächst der gleiche Preis anderer Kneipen genommen wurde, aber die Buletten kleiner waren. Meine Mutter erinnert sich daran, dass sie einmal alle selbst gemachten Buletten wieder mit nach Hause nahm.
Bis in den Oktober 1966 war jedes Wochenende der Jägerhof geöffnet und mindestens einmal wurde der Betrieb auch an einem Werktag geöffnet. Der Pachtvertrag war eine große Verpflichtung. Als ich in dieser Zeit Mumps bekam, wurde ich warm eingepackt zum Jägerhof mitgenommen und verbrachte den Tag auf der Veranda.
Der Jahresabschluss wurde mit einem Spanferkel-Essen gefeiert.
Im Winter 1966-1967 gab es mindestens zwei Einbrüche in den Jägerhof. Die Tür zur Gaststube wurde nicht geknackt. Es wurden jeweils eines der Fenster zum Beispiel auf der Waldseite zerstört. Der oder die Einbrecher richteten jeweils großen Schaden im Jägerhof an. Da einmal gezielt auch der Waffenschrank aufgebrochen wurde und mindestens eines der Kleinkaliber-Gewehre, die für die Schießbahn ausgeliehen werden konnte, gestohlen wurde, ging es offensichtlich um mehr als Geld. Gestohlen wurden jeweils angefangene Schnapsflaschen und Zigarettenstangen.
Meine Eltern konnten am Ende eines jeden Jägerhof-Tages nicht alle diese Wertsachen mit nach Hause nehmen. Zunächst hatte unsere Familie noch kein Auto und wir wohnten mehr als ein Kilometer entfernt. Auch als dann schließlich ein Auto vorhanden war, gab es weiterhin Probleme. Meine Mutter hatte keinen Führerschein und wenn mein Vater (als Berufssoldat) im Manöver war, musste sie irgendwie die Wertsachen und uns zwei Kinder zum Jägerhof bringen.
Auf der Theke der Gastwirtschaft stand zunächst eine riesige Registrierkasse. Die Tasten waren den verschiedenen angebotenen Getränken und Speisen zugeordnet. Nach dem Eintippen erschien oben die Gesamtsumme. Diese Kasse wurde bei jedem Einbruch aufgebrochen. Natürlich war die Kasse stets leer. Dies scheint schließlich die Einbrecher so weit verärgert zu haben, dass die Kasse mit hinter den Jägerhof genommen wurde und dort zerstört wurde. Es war eine interessante, silbern glänzende Maschine.
Der Jägerhof lag zwar nicht im Wald, war aber nicht an das Wasser- und Abwassersystem der Stadt Rotenburg angeschlossen. Unter dem Gebäude gab es einen kleinen, niedrigen Keller, wo eine Pumpe mooriges Grundwasser für die Spüle und die Toiletten hoch pumpte. Es war ein versteckter, unheimlicher Ort. Von der Gaststube ging es hinter einen Vorhang in eine kleine Küche. Dort wurde dann eine Schiebetür geöffnet und war der dunkle niedrige Raum zu sehen.
Das Wasser war nicht brackig, aber wenn es längere Zeit in der Spüle stand, gab es eine Ablagerung am Beckenrand und -boden. Das Wasser roch und hatte einen unangenehmen Geschmack. Für die Kaffeemaschine, aber auch zum Kochen von Kartoffeln und Gemüse wurde deshalb mitgebrachtes Mineralwasser verwendet.
Abwasser verschwand in einer Sickergrube.
Dieses System von eigener Pumpe für Frischwasser und Sickergrube für die Abwässer gab es auch noch in den frühen 1980-er Jahren in dem Teilen von Brauel, wo wir lebten.
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Zum zweiten Teil
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Der Jägerhof befindet sich heute weiter im Osten entlang der Brockeler Straße. Auf dem Gelände des Jägerhofs befindet sich nun der Kindergarten Rappelkiste. Hoffentlich haben Sie vor diesem Neubau den Boden ausgekoffert, denn der war sicherlich durch die vielen Reste der Munition verseucht. Auf die Tontaubenscheiben wurde mit Bleischrot geschossen.
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