In Hannover werden in den nächsten Jahren verschiedene Straßen umbenannt. Den Namen einer Person auf einen Straßenschild zu „verewigen“ ist eine der größten Ehrungen, die eine Gemeinde vergeben kann. Doch hat es Fehler in der Beurteilung einer zu würdigenden Person gegeben.
Prominentes Beispiel ist der 1. Niedersächsische Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf, dessen Name für den Platz vor dem Landtag gewählt wurde. H. W. Kopf hat wie fast alle Mitglieder der wirtschaftlichen, juristischen, administrativen und politischen Elite nach 1945 einen Persilschein bekommen. Er war angeblich „sauber“ und in keiner Weise an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den 12 Jahren zuvor beteiligt.
Als Ministerpräsident machte er große Politik in dem neu gegründeten Bundesland. Doch er hatte gelogen, was seine Mitwirkung und Teilhabe an Verbrechen in der Nazi-Zeit betrifft. Seine weiße Weste ist verschmutzt und der Platz heißt seit diesem Frühjahr Hannah-Arendt-Platz.
Eine Kommission der Stadt überprüfte eine Vielzahl von Straßennamen. Kritische Historiker und Heimatforscher hatten in den letzten Jahrzehnten bereits Vorarbeit geleistet und Namen genannt, die keine Ehrung im Stadtbild verdienen (Beitrag zum Thema von 2012).
Im Stadtteil List soll die Fritz-Beindorff-Allee umbenannt werden. Fritz Beindorff war der Besitzer der Pelikan-Werke, deren Produkte den meisten durch ihre ersten Füller und Tintenpatronen wohl bekannt sein sollten. Fritz Beindorff gehört zu den zwanzig deutschen Unternehmern, welche Ende 1932 den Reichspräsidenten aufforderten, Adolf Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Im Krieg arbeiten bei Pelikan Zwangsarbeiter und seit mindestens 1942 gab es direkt auf dem Fabrikgelände ein Zwangsarbeiter-Lager der GESTAPO. Die Pelikan-Werke gehörten zur NS-Kriegswirtschaft mit Arbeitskräften, deren Leben täglich gewaltsam enden konnte.
Die Umbenennung sollte kein Problem sein, denn es handelt sich um eine sehr kurze Straße (weniger als 20 Häuser) und das Namensrecht liegt bei der Stadt, die Vorschläge der Stadtbezirke aufgreifen kann. Es ist keine Bürgerbeteiligung vorgesehen.
Mitglieder des Bezirksrat Vahrenwald-List äußerten die Sorge, dass diese Umbenennung einmal mehr zu Unmut über „die da oben“ führen kann. Eine gute Information über die Unwürdigkeit von Fritz Beindorff und vor allem über die neu zu ehrende Person kann dies verhindern. Und die Kritiker seien nur daran erinnert, dass Namensänderungen sehr häufig sind und das es dafür viele Gründe geben kann. Das Haus, in dem ich wohne, wurde in der Edenstraße errichtet. Eine neue Verkehrsführung der Ferdinand-Wallbrecht-Straße teilte die Edenstraße, das Drittel im abgetrennten Bereich wurde der Göbelstraße zugeschlagen.
Es gibt bei den Umbenennungen nur ein hannöversches Problem. Neue Straßennamen soll bevorzugt nach bedeutenden Frauen benannt werden und angeblich fehlt es an verstorbenen Würdenträgerinnen, die noch nicht in den letzten Jahrzehnten geehrt wurden.
Lächerlich! Wie sieht es aus mit den ersten Professorinnen der damaligen TH Hannover. Oder Politikerinnen, die das Wahlrecht für Frauen in Hannover propagierten oder nach 1945 in der Stadt, im Stadtrat oder Landtag ein neues Bild einer aktiven Frau repräsentierten. Oder wie wäre es mit einer der ersten Schauspielerinnen, welche fest am städtischen Theater engagiert wurde oder einer der ersten Solomusikerinnen in einem städtischen Orchester.
Diese Namen sind zur Zeit in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Mit der Ehrung auf einem Straßenschild würde der Wandel des Frauenbildes an einzelnen Personen dokumentiert. Es sollte kein Problem sein, eine bisher nicht geehrte Frau zu finden.
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Die Verknüpfungen führen zu zwei Artikeln in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (2.4.2015, 1.10.2015), zu Wikipedia-Einträgen und anderen Beiträgen von mir. 2012 habe ich erstmals über Straßenanmen als Ehrung für Jahrhunderte geschrieben und dies vor allem am Beispiel der Deutschen (blutigen) Kolonialgeschichte erläutert (Lettow-Vorbeck, Wissmann, Peters).
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