Das Bundesverfassungsgericht hat am 26. Februar 2014 die neu formulierte Drei-Prozent-Sperrklausel zur nächsten Europawahl am 25. Mai 2014 für verfassungswidrig erklärt. Diese Klausel ist ein schwerwiegender "Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit" (Pressemitteilung BVG)
Die fehlende Wahlrechtsgleichheit ist ein zunehmendes Problem nicht nur bei den Wahlen zum Europa-Parlament. Bei der Bundestagswahl scheiterten gleich zwei Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Sperrklausel und zusammen mit den anderen kleineren Parteien sind 6.859.439 oder 15,7% der gültigen Stimmen nicht im Bundestag repräsentiert. Die GroKo steht für 67,6% und die Opposition für 17,1% der gültigen Stimmen.
Eine Wahlrechtsreform zum Bundestag oder zu den Länderparlamenten mit einer auszuhandelnden 2 oder 3-Prozenthürde wird es nicht geben, da die etablierten Parteien genau wissen, dass sie die Verlierer sein werden.
Was bedeutet nun die Aufhebung aller Sperrklauseln für die Wahl zum Europaparlament? Zur letzten Wahl am 7. Juni 2009 traten 32 Parteien und Gruppierungen an. Natürlich werden auch ohne Sperrklausel nicht alle gültigen Stimmen berücksichtigt. Deutschland hat aktuell 99 Sitze im Europaparlament, ein Sitz entspricht theoretisch 1,01% der Stimmen.
Dargestellt ist die zunehmende Wahlgerechtigkeit bei Absenkung und schließlich Abschaffung der Sperrklausel basierend auf dem Wahlergebnis von 2009.
CDU, SPD, GRÜNE, FDP, CSU und LINKE erhielten zusammen 23,5 Millionen Stimmen. Dies entspricht 87,3 der gültigen Stimmen oder anders gesagt, 2,8 Millionen WählerInnen sind nicht im Europaparlament repräsentiert. (Datengrundlage: Bundeswahlleiter)
Bei einer 1%-Sperrklausel wären die Stimmen für die Nazis von den Republikanern, die Tierschutzpartei, die Familienpartei, die Freien Wähler und den Piraten hinzugekommen. Nun wären 24,8 Millionen oder 92,2% der gültigen Stimmen berücksichtigt wurden. Selbst bei einer 1-Prozent-Hürde blieben 1,5 Millionen Wählerinnen außen vor. Ganz ohne Hürde kämen nur noch die Stimmen für die Rentnerpartei dazu. Entsprechend 25,3 Millionen oder 95,9% der gültigen Stimmen. Auf die anderen 20 Parteien und Gruppierungen entfielen weitere 1,1 Millionen Wahlstimmen.
Die etablierten Parteien verlieren Sitze im Parlament und damit Einfluss. Das amtliche Ergebnis sah die folgende Verteilung der 99 deutschen Sitze im Europa-Parlament.
CDU 34
SPD 23
Grüne 14
FDP 12
CSU 8
Linke 8
Ohne Sperrklausel würden sich die 99 Sitze wie folgt verteilen:
CDU 32 (minus 2)
SPD 22 (minus 1)
Grüne 12 (minus 2)
FDP 11 (minus 1)
CSU 7 (minus 1)
Linke 8
REP 1, Tier 1, Familie 1, Freie Wähler 2, Piraten 1, Rentner 1
(eigene Berechnung)
Die GRÜNEN verlieren wie auch die CDU zwei Sitze. Bei den GRÜNEN liegt es daran, dass sie prozentual bei einer 5-Prozent-Sperrklausel Anspruch auf 13,6 Sitze hatten.
Doch es würden weit mehr als die ausgewiesenen 7 Sitze an andere Parteien und Gruppierungen gehen. Der Wähler ist taktisch. Nur Überzeugungstäter und Protestwähler stimmen für ihre Partei bzw. gegen die wie auch immer definierten etablierten Parteien ohne Rücksicht darauf, ob diese die Sperrklausel überwinden oder nicht.
Mit dem Wissen, dass kleine Parteien eine Chance haben, würden viele konservative Grüne die ÖDP wählen, viele Rechtsradikale in CDU und CSU, Nazi-Parteien wählen und die FDP auf ihre tatsächliche Klientel von 1-3 Prozent zurückfallen.
Die Anti-Europa-Partei AfD wird auf jeden Fall im nächsten Europa-Parlament repräsentiert sein und erst das Ergebnis wird zeigen, ob Protestwähler, die bisher etablierte Parteien gewählt haben, nun nicht mehr die AfD wählen, da diese auf jeden Fall ins Parlament kommt.
Ein angenehmer Nebeneffekt der fehlenden Sperrklausel ist eine zu erwartende deutliche Zunahme bei der Wahlbeteiligung. Die etablierten Parteien hoffen darauf, das sie mit höherer Mobilisierung das Schreckgespenst der vielen Kleinen auch klein halten können. Und, die Kleinen und Neuen haben eine neue Motivation noch mehr ihre Ziele bekannt zu machen, da sie eine echte Chance haben, ins Parlament gewählt zu werden. Es werden nur noch etwa 300.000 Stimmen für einen Sitz im Europaparlament benötigt.
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