Die Kinder wachsen schnell und damit auch die Reichweite ihrer Aktivitäten. Die fehlende Größe (und Kraft) verhinderte, dass Türen geöffnet oder Wasserhähne erreicht wurden. Außerhalb der Wohnung wurde die Wege länger. Längere Spaziergänge oder Touren mit einem Laufrad, dessen Sitzhöhe bereits zweimal angepasst wurde, gehören zum Wochenende dazu.
Im Winter hatte ich die Anschaffung eines Kindersitzes für mein Fahrrad vorgeschlagen. Wenn ich die einen von beiden betreue, würde die ganze Stadt für die Kinder sichtbar und erreichbar sein. Die Kinder kennen die Stadt bisher nur aus der Perspektive der Stadtbahn (also Tunnelstrecken) oder dem Bus.
Der eine Junge erlebte, wie das große Paket geöffnet wurde. Ich setzte ihn in meiner Wohnung in den Sitz gesetzt und erzählte, dass er damit auf dem großen Fahrrad fahren kann. Die Neugier war offensichtlich.
An diesem Wochenende wurde der Sitz montiert und dafür nahm ich den anderen Jungen mit in den Keller, wo mein Fahrrad parkt. Während ich kleine Montageprobleme löste, erzählte ich auch ihn, dass er auf diesen Sitz mitfahren würde.
Damit war die Saat gesät und schon einmal abgesichert, dass beide freiwillig in dem Sitz Platz nehmen würden.
Direkt nach der Montage machte ich eine Probefahrt. Es war zunächst sehr still in meinem Rücken. Das war sicherlich einmal mehr die Gemengelage von Neugier und Angst. An Kreuzungen, an denen ich halten musste, drehte ich mich um und fragte, ob es Spaß macht. Es war keine euphorische Reaktion, doch als wir nach knapp zwei Kilometern wieder vorm Haus ankamen und er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, sah ich, wie glücklich er war. Der andere Junge wurde auf den nächsten Morgen vertröstet und erlebte dann eine längere Tour durch die Eilenriede.
Hier erlebte ich nun etwas. Nicht nur, dass es entschieden stressiger ist, mit einem Kind im Rücken zu fahren, weil jedes Vorbeifahren oder Entgegenkommen, jedes kleinste Hindernis auf dem Weg neu bewertet werden muss, sondern auch, weil plötzlich ein Druck auf der Lenkstange zu spüren war und ich vorne die Bewegungen des Kindes ausgleichen musste.
Mir wurde einmal beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn man mit einem kleinen PKW aus dem Windschatten eines LKW fährt oder wenn eine Böe von der Seite drückt. Selbst bin ich schon mit Gepäck gefahren, sogar mit viel Gepäck (1-wöchige Radtour mit Zelt), aber das macht es nur anstrengender, weil mehr Gewicht bewegt werden muss. Nun erlebte ich erstmals, wie das Hebelgesetz eine Bewegung des Jungen nach links oder rechts so weit verstärkte, dass das Fahrrad nicht mehr geradeaus fuhr.
Beim Überqueren einer Straße mit einem oder beiden Jungs lege ich großen Wert auf meinen Perspektivwechsel und gehe mit meinem Kopf sehr weit runter, um die Straße mit ihren Augen zu sehen. Was sehen die Kinder, wenn sie hinter mir auf einem Fahrradsitz sitzen?
Auf einer längeren Tour am Nachmittag wurde ich mehrmals gefragt, "was ist das?", konnte mich aber in der Regel nicht umdrehen oder kurz anhalten, um die Frage zu klären. Eine Großbaustelle mit ihren vielen Maschinen führte zu den meisten Fragen.
Für die nächsten Wochenenden, wo ich einen der Jungs habe, gibt es viele Ziele: Maschsee, unsere großen Parkanlagen, Mittellandkanal, ...
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