Gesehen in 3D Atmo im Astor Grand Cinema in Hannover
Notizen zu einem Film ohne den Inhalt zu offenbaren. Links führen entweder zu früheren Beiträgen hier im Blog oder zu Wikipedia-Artikeln.
Es ist ein großartiger Film. Es geht um Unterhaltung und nicht um Kunst-Kino.
Während wir bequem in den Ledersesseln des Astors auf den Filmbeginn warteten, kam die Frage auf, ob Star Wars auch in HFR gedreht wurde. Diese Aufnahme-Technik wurde für Peter Jacksons Hobbit-Triologie in 3D (2012-2014) entwickelt und eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass nunmehr alle 3D-Filme mit großem Budget und rasanter Handlung in unbekannter Landschaft mit dieser verdoppelter Bildzahl/Sekunde (=HFR) produziert werden. Die Werbung hatte keinen Hinweis darauf gegeben und Star Wars VII nutzt nicht die HFR-Technik.
Die Fortsetzungen von Avatar werden in HFR gedreht. 2017 konkurriert Star Wars VIII mit Avatar II. Uns wurde stattdessen die Dolby Atmos-Technik vorgeführt.
In den letzten Jahrzehnten hat die Vorführtechnik große Entwicklungsschritte erlebt:
- der Raumklang mit verteilten Lautsprechern, der heute selbstverständlich ist
- James Cameron hat 2009 mit Avatar einen neuen Maßstab an Tiefenschärfe für 3D-Filme vorgelegt, der seitdem nur von wenige Filmen erreicht wurde
- die umfassende Digitalisierung der Filmaufnahme schuf die Möglichkeiten die gesamte Leinwand mit gestochen scharfen Bildern zu bespielen
- High Frame Rate für 3D-Filme machte schnelle Bewegungen der Akteure oder der Kamera für uns Zuschauende erträglich und realistisch
- tja, und nun Dolby Atmos, zusätzlich zum Raumklang gibt es Lichteffekte an den Wänden und der Decke, die uns Zuschauenden tiefer in das Geschehen hineinziehen sollen.
Eigentlich sollte sich selbst ein Abenteuerfilm stets über die filmische Erzählung definieren. Dabei ist es egal ob der Film auf der Erde in der Vergangenheit (Sandalen, Ritter, Mantel und Degen, Western), Gegenwart (Krimi) oder in der Zukunft (Science Fiction) handelt. US-Filme besonders die Großproduktion von Jerry Bruckheimer fallen hier negativ auf. Der Adrenalinkick für die Zuschauenden ist wichtiger als die Geschichte. Ähnliches könnte von den seriellen Großproduktionen Herr der Ringe, Harry Potter (habe über die Teile 5, 6, 7.1, 7.2 geschrieben) Tribute von Panem, James Bond, Star Trek (1 + 2), Pirates of the Caribbean, Hobbit (1, 2, 3) oder nun wieder Star Wars gesagt werden, doch mit den Ausnahmen der Disney-Piraten und 007 stehen dahinter starke Geschichten, die niemals von der Filmtechnik überwältigt werden.
Womit ich endlich zu Star Wars zurückkehre. Das Erwachen der Macht ist zum Teil ein Überwältigungsfilm. Mit dem Abstand von zehn Tagen und ohne weitere Lektüre zur Handlung zum Beispiel in der Wikipedia verblassen einige Elemente der erzählten Geschichte. Stattdessen verbleiben Kampfszenen in Erinnerung.
Das ist sicherlich ein Teil der Vermarktungsstrategie. Um die Geschichte besser zu verstehen, muss der Kunde auch den Film erwerben, um die Details der ganzen Geschichte aufzunehmen und damit die folgenden Episoden VIII und IX in den Jahren 2017 und 2019 (und zehn Jahre später dann die Episoden X bis XII?) weiter zu verfolgen.
Die Filme der Star Wars-Serie setzen voraus, dass die Besucher alle bisherigen Episoden kennen. Ein Bekannter erzählte mir, dass er als Vorbereitung auf den Kinobesuch nur Episode VI angeschaut hatte und vieles in der Handlung nicht verstanden hat.
Für Star Wars VII wurden einige der Hauptdarsteller aus Star Wars VI wieder verpflichtet bzw. ihre Rollen fortgeschrieben. Wer im Kostüm von nicht-menschlichen Charakteren wie Chewbacca oder C-3PO steckt, ist irrelevant.
Ich musste Schmunzeln, dass im Star Wars Universum Raumschiffe weiterhin Geräusche im Weltall machen. Da ist man wohl einer schrägen Tradition gefolgt.
Die Handlung setzt etwa 30 Jahre nach Star Wars VI ein und entsprechend sind die damaligen Schauspieler gealtert und neue, jüngere Hauptdarsteller für diese Triologie treten auf. Die Trailer zeigten bereits eine weiße Frau und einen schwarzen Mann.
Der erste Gedanke beim Anschauen der Trailer war, ... nicht schon wieder!
Wenn BWLer einen Film beeinflussen und Marktsegmente des Zuschauerpotentials ins Drehbuch rein geschrieben werden, kann das Ergebnis lächerlich werden. Mit Grausen denke ich an zusammengestellte Boygroups die mit dem Rebellen, den Schönen, den Nachtdenklichen, etc. viele Identifikationspersonen bieten. Ähnlich auch bei den Girlgroups, wenn es dort auch eher das Äußere ist (z. B.: lange Haare, kurze Haare, lockig, glatt, alle Haarfarben, etc.), die Anknüpfungen bieten sollen.
Im Kino ist es das Hineinschreiben von jungen und alten Rollen, wenn dem/der HauptdarstellerIn eine weitere tragende Rolle des anderen Geschlecht zugeordnet wird, verschiedene ethnische Hintergründe eingebaut werden, eine Handlung an vielen wieder zu erkennende Orte, etc. Alle Zuschauenden sollen etwas für sich im Film finden. Die Geschichte, die der Film erzählt, wird dann zweitrangig.
Das gilt glücklicherweise nicht für Star Wars VII.
Die Geschichte knüpft an das bekannte Universum an, zeigt alte und entwickelt neue Handlungsstränge und entlässt das Publikum mit genügend Rätseln, die in Star Wars VIII gelöst werden wollen.
Der Regisseur J.J. Abrams hat so etwas wie eine Handschrift entwickelt (Star Trek, 2009, Super 8, 2011, Star Trek into Darkness, 2013). Suspense durch zunächst nicht für die Zuschauenden zu sehende Gefahren, die aber erzählt oder in den Gesichtern der Schauspieler gespiegelt werden. Oder Perspektivwechsel und laufende Kamera, die einige Handlungen aus der Perspektive eines Charakters zeigen. Hinzu kommt als technisches Element, dass er die Reflexionen, die es in der Realität gibt und die wir alle von unseren Foto- und Filmaufnahmen kennen, bewusst mit auf die Leinwand nimmt und nicht herausfiltert.
Nun drehte er also für Disney und er konnte Einiges beibehalten. Einzelne Charaktere der Geschichte bleiben lange nur Schatten der Erinnerung und Erzählung und die Kamera wird manchmal persönlich. Doch wenn ich nicht wüsste, dass J.J. Abrams Regie geführt hat, würde ich es nicht an diesem Film erkennen. Ein Wermutstropfen ist, dass die Arbeit an Star Wars verhindert hat, dass J.J. Abrams die Regie für den kommenden Star Trek Film (2016) übernehmen konnte. Der Trailer lief vor Star Wars.
John Williams hat die Filmmusik geschrieben und sie ist gelungen. Dramatisch, aber nicht drängend, den Film begleitend und nie störend. Das mag befremdlich klingen, aber Filmmusik sollte nicht das Geschehen auf der Leinwand dominieren. Es ist akzeptable wenn Musik einmal in einer Szene dominiert wie in Stanley Kubricks 2001 (1968) oder Christopher Nolans Interstellar (2014).
Und wie war die neue Atmos-Technik? Verzichtbar!
Gleichzeitig wurde das Potential der 3D-Projektion nicht ausgereizt. Der Zuschlag von 2 Euro war nicht gerechtfertigt.
Geht ins Kino! Star Wars VII ist große Unterhaltung. Fans dieser futuristischen Welt hatten ihre Freude (es gab einmal Applaus). Trotz Schwächen bekommt der Film von mir 7 von 10 möglichen Punkten meiner Bewertungsskala.
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