Sonntag, 29. August 2010

EKNT10 - Exkursion nach Coimbra

Coimbra liegt etwa 200km nördlich von Lissabon entfernt. Unsere Gruppe von 19 Personen hatte es tatsächlich geschafft, vor 8 Uhr morgens aufzustehen und zur U-Bahn aufzubrechen. Wir fuhren über Alameda zum Bahnhof in Oriente, wo wir zunächst individuell Fahrscheine kauften, um dann in Kleingruppen die kleinen Cafés und Märkte anzusteuern, um hier ein Frühstück einzunehmen. Mit der Fahrkarte (€28) hatten wir auch einen reservierten Sitzplatz und trotz der Größe der Gruppe saßen wir zusammen in einem Waggon. Der Abend zuvor war lang geworden (Fado-Museum, portug. Restaurant) und auf der langen Zugfahrt holten viele den Schlaf der vorherigen Nacht nach. Als wir nach zweieinhalb Stunden am Ziel ankamen, gab es zunächst Verwirrung auf dem Bahnhof. Wir waren in Coimbra B und es war offensichtlich, dass wir noch nicht in der Stadt, die wir besuchen wollten, waren. Wir verließen den Bahnhof, gingen einige Hundert Meter zu einer Bushaltestelle und fuhren mit unserem Bahnfahrschein von dort zum Bahnhof Coimbra.

Das alte Coimbra lag auf einem steilen Hügel vor uns. Wir holten zunächst einige Stadtpläne und dann ging es in die Altstadt. Die Gruppe wurde dort von zwei Studenten im dunklen Umhang angesprochen. Viele blieben stehen und hörten sich ihre Geschichte an. Es waren zwei Studenten, die demnächst ihren Abschluss machen würden und nun Spenden für ihre Abschlussfeier sammelten, indem sie alte Schwarz-Weiß-Postkarten anboten. Die Gruppe vereinbarte ein weiteres Treffen am Wohnheim in der Altstadt.

Wir folgten der Haupteinkaufsstraße zur Igreja de Santa Cruz, in welcher der Gründer Portugals begraben liegt. Dom Afonso Henriques löste 1139 ein Lehen aus dem Königreich Leon und erklärte sich zum König. Seine Grabplatte ist deutlich größer als die von seinem Sohn und zweiten König von Portugal Dom Sancho. Hier wurde die Legende angeführt, dass König Alfons als Burgunder deutlich größer war, als die Portugiesen und dies sich in der großen Grabplatte widerspiegelt. Doch dies erscheint nicht offensichtlich, da die Ehefrau und Mutter des 2. Königs auch aus Mitteleuropa kam. Und dieser Sohn angeblich so klein war, wie die anderen Portugiesen. Wenn an der Legende etwas dran sein sollte, wäre dies ein schönes Beispiel für Phänotyp versus Genotyp.

Nachdem wir hier unsere Referenz erwiesen hatten, gingen wir zu einem portugiesischen Restaurant, wo wir angemeldet waren. Es sollte eine Spezialität sein und war es auch! Das Restaurant hatte noch nicht geöffnet und auch andere Personen standen in dieser Nebenstraße und warteten darauf, dass der Betrieb beginnt. Die Besonderheit fing damit an, dass dieses Restaurant nur aus einem schmalen Raum bestand. Außer uns konnten nur noch drei weitere Personen an den wenigen Tischen Platz nehmen und wir saßen alle sehr eng beieinander. Einmal mehr gab es leckeren Fisch für mich.
Als wir nach etwa einer Stunde das Restaurant verließen, standen in dieser Nebenstraße etwa zehn Personen, die mit Wein und Brot vertröstet wurden und darauf warteten, dass Plätze im Restaurant frei werden.

Nach dem Essen ging es durch die Altstadt nach oben zur Universität. Es war unerträglich heiß. Die Wetterstation am Flughafen Lissabon verzeichnete an diesem Tag mehr als 36° im Schatten. Es war sicherlich heißer hier in den engen Straßen. Ich war froh als ich auf halber Strecke eine große Kirche sah, in die ich auch sofort verschwand. Dort war es deutlich kühler als draußen auf dem Platz. Eine Kirche ist bei diesem Wetter wie eine Höhle, der große Raum kann sich nicht so schnell erwärmen und es war sicherlich nicht wirklich kühl in der Kirche, aber eben deutlich kühler als im Sonnenschein. Neben mir stand der einzige Geschichtsstudent der Gruppe und ich zitierte Arno Schmidt über den Nutzwert von Kirchen, den ich selbst gerade erlebte.
Die Kathedrale Sé Velha de Coimbra ist ein schönes Beispiel für romanische Kunst. Mit Freude hörte ich ihm zu, als er neben mir sitzend ein Kurzreferat über Stilelemente der Romanik gab.

Der Gang nach draußen hatte etwas vom Öffnen einer Saunatür. Der Temperaturunterschied war immens. Weiter ging es aufwärts. An den ehemals weißen Wänden waren viele Graffiti zu sehen. Dies waren nicht nur Tags, welche die kümmerliche Existenz des Sprayers dokumentierten, sondern auch politische Botschaften, die zum Teil mit Schablonen aufgesprüht wurden waren. Mir wurde erzählt, dass der Konflikt um die eigene Geschichte mit ihrem Kolonialismus und Faschismus und der folgenden Periode mit ihrem Militarismus und zumindest verbal sozialistischen Zielen bisher nicht aufgearbeitet wurde und entsprechend radikale Positionen von beiden Seiten in der Öffentlichkeit zu finden sind.
(Foto: S. Richter)

Doch dann erfreute uns auch ein echtes Graffito, das an Picasso erinnerte.
 (Foto: S. Richter)

Es ging immer weiter aufwärts bis wir schließlich auf einem Platz zwischen zentralen Universitätsgebäuden ankamen. Wir hatten nun die Möglichkeit eine Führung durch die Universität zu machen. Die Tür der alten Bibliothek öffnete sich und eine geführte Gruppe verließ den hohen Saal, der von Bücherwänden, wie die Augusta der HAB, umgeben war.
A lock within a lock

Im Schatten vor einem Institut mit stilistischen Elementen der faschistischen Periode des Neuen Staats (Estado Novo) machte die Gruppe einen Halt und es dauerte eine Weile, bis sich alle entschieden hatten, ob sie eine Führung machen wollten oder ob sie, wie von mir vorgeschlagen, durch die verwinkelten Gassen der Altstadt hinab zum Rio Mondego gehen wollten.
Zu fünft gingen wir runter in die Altstadtgassen, doch endete unser Wegs bereits nach kurzer Zeit in einem Café, wo wir zunächst nur Wasser kaufen wollten, uns aber dann doch hinsetzten. Die Hitze war so erschöpfend, dass wir trotz dieser Pause noch vor dem Erreichen des Flusses wieder eine Pause im Schatten machten.
Das von uns gesuchte Militärmuseum war nicht zu finden. Erst jetzt beim Schreiben dieser Zeilen sehe ich auf dem Stadtplan, dass die Erläuterungen mit Zahlen zweimal bei 1 beginnen. Ich hatte auf dem Stadtplan das Hotel 42 lokalisiert und nicht die Sehenswürdigkeit 42. Das Militärmuseum wäre (bei diesen Temperaturen) unerreichbar auf dem anderen Ufer gewesen.
Wir saßen in einem Park auf der das Ufer begrenzenden Mauer und hatten hier die wunderbare Kombination von einer leichten Brise, die über den kühleren Fluss zu uns wehte.
Am Busbahnhof trafen wir schließlich die anderen, fuhren nach Coimbra B und von dort zurück nach Lissabon.

Das sehr alte Coimbra ist eine schöne Stadt, doch im August sind die Hitze und der durch die Trockenheit bedingte feine Staub zwei gute Gründe, keine lange Tour zu machen.
Es war eine wunderbare Exkursion und ich bedanke mich auf diesem Weg einmal mehr bei den beiden Organisatoren!

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