Samstag, 14. Juli 2007

Africando beim Masala

Africando spielt immer noch beim Masala-Festival in Hannover, doch ich bin schon wieder zu Hause. Das Konzert war so nichtsagend, dass ich nach knapp einer dreiviertel Stunde den Saal verließ.

Es war eines dieser Doppelkonzerte im Rahmen des Masala. Vorher spielte die französische Band Les Blérot de R.A.V.E.L. und nach diesem fulminanten Auftritt hätte jede Band Probleme gehabt.

Der Tontechniker von Africando brauchte zwei Stücke, um störende Rückkopplungen (ein dumpfes Brummen) zu beseitigen. Diese sehr prominente Band, die seit Jahren von den Organisatoren gewünscht wurde, hatte diese egozentrische Selbstüberschätzung, wie sie auch von jungen Gruppen und Solisten des Hip-Hop zelebriertwerden, nämlich dass in jedem Lied mehrmals gesagt werden muss, dass dies gerade Africando ist. Und bereits nach dem dritten Lied wurde dafür geworben, dass im Foyer die CDs der Band verkauft werden. Schließlich kam noch die professionelle Nüchternheit einiger der 13 Musiker hinzu, die wenig Emotionen zeigten. Der Auftritt war wohl nur ein weiterer für die Band.


Und schließlich war die Musik höflich gesagt, eher langweilig. Ich ging vorzeitig und dass passierte nur alle paar Jahre einmal das ich ein Konzert vor seinem Ende verlasse.

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Donnerstag, 12. Juli 2007

Studio Pagol beim Masala

Studio Pagol gaben ihr erstes Konzert in Deutschland im Rahmen des Masala-Weltbeat-Festivals im Pavillon in Hannover. Diese Band aus Belgien mit Musikern aus vielen Kulturkreisen führt zur großen Frage: Was ist eigentlich Weltmusik?

Die Musikindustrie fasst unter diesen viel- und gleichzeitig nichtssagenden Label einen Großteil der nicht-westlichen Musik zusammen. Für die westliche Tradition gibt es Labels wie Klassik, Jazz, Pop, Rock, Blues, Reggae, Folk, etc., aber da verbleiben die vielen Klänge aus der Peripherie von Europa, Lateinamerika, Afrika, Asien und Australien, die sich nicht so klar zuordnen lassen. Oftmals ist es Pop mit Anleihen an traditioneller Musik der jeweiligen regionalen Kultur. Doch was ist schon Tradition, seitdem bekannt ist, dass eigentlich alle Traditionen erfunden sind und ständig neue Traditionen eingeführt werden.
Weltmusik ist also erst einmal ein Verkaufslabel und auch das Masala-Weltbeat-Festival präsentiert vor allem Musik außerhalb des westlichen Mainstreams, die aber in ihren Herkunftsgebieten oftmals Mainstream sind (zum Beispiel Mlimani Park Orchestra)
Doch es gibt auch eine andere Definition von Weltmusik, welche die Vermischung und Fusion von unterschiedlichen Musiktraditionen beinhaltet. Wenn zum Beispiel europäische Jazzer mit traditionellen Musikern aus Indien eine gemeinsame Musik suchen und finden oder wenn westafrikanische Musiker aus der Griot-Tradition, die auch als Sahel-Blues bezeichnet wird, zusammen mit Flamenco-Musikern spielen. Das erste Beispiel bezieht sich auf die Münchner Formation Embryo, die sich 1978 auf eine einjährige Fahrt nach Pakistan und Indien begab und das zweite auf das Songhai-Projekt von 1988-1994 mit Toumani Diabate und Ketama. Das würde ich als Weltmusik bezeichnen, denn hier wurden vertraute Klänge (Saxophon und Gitarre) mit fremd klingenden Perkussionsinstrumenten und Gesangstraditionen gemischt.

Studio Pagol spielt Weltmusik! Acht Künstler präsentierten eine ungewöhnliche aber oftmals dennoch tanzbare Mischung aus Hardrockgitarren, Breakbeats, indischen Rhythmen und Gesang in gleich mehreren Sprachen. Eine Frau führte unter ständigen Wechsel der Kostüme Elemente von indischen Tänzen vor und ein Videokünstler zeigte auf einer runden Leinwand im schnellen Wechsel Kollagen. Dabei waren einige Stücke expliziert politisch sowohl im Bild und Text.
Der Mann an Keyboard und Saxophon streute auch immer wieder Loops und Zitate von einem Apple in die Musik. Die sechs Musiker (neben den bereits genannten Leadgitarre/Gesang, Rhythmusgitarre/Bass, Schlagzeug/Perkussion, Gesang/Perkussion und Gesang) zeigten große Spielfreude und haben sich viele neue Freunde gemacht.

Hier geht es zur Website vom Studio Pagol (=verrückt).
Der Mann an den Keyboards und am Apple war Marc van Eyck. Die CD seines Projekts "Technically normal" wird hier beschrieben.


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Dienstag, 10. Juli 2007

Geburtstagsradtour

Ich hatte dies bereits vor drei oder vier Jahren einmal gemacht. Statt mit Freunden in meiner Wohnung den Geburtstag zu feiern, hatte ich zu einer Radtour geladen. Damals ging es von Wunstorf um das Steinhuder Meer nach Neustadt am Rübenberge.
In diesem Jahr ging zum Gut Adolphshof am Hämelerwald. Wir waren zu viert um 15:00 Uhr vom Lister Turm aufgebrochen. Martin aus Helsinki / Mainz war am späten Vormittag bei mir angekommen und hatte mein B-Fahrrad bekommen. Hinzu kamen eine Freundin und ein Bekannter. Ein anderer Freund fuhr mit Familie zum vereinbarten Treffpunkt. Recht im Hintergrund des Bildes ist das Logo vom Masala-Festival zu sehen. Auf dem Gut Adolphshof spielte die Amsterdam Klezmer Band.
Wir hatten großes Glück mit den Wetter. Noch am Samstag zogen dichte Wolken über Hannover und mehrmals kam es zu heftigen Schauern. Am gestrigen Montag war das Sonnenzwischenspiel bereits wieder beendet und bei 101 Prozent Luftfeuchtigkeit nieselte es immer wieder.

Doch wir hatten die Sonne (und einer am Ende einen leichten Sonnenbrand), gute Räder und hohe Motivation. Die ersten 7-8 Kilometer ging es durch die verschiedenen Teile der Eilenriede, bis wir in Anderten erstmals durch die Siedlung fahren mussten.

Zur Orientierung hatte ich die offizielle Radwanderkarte Hannover und Umgebung und leider war die nicht unbedingt hilfreich. Wege für Radler sind in einer einheitlichen Farbe, aber in der Natur kann dies eine Asphaltstrecke, Rollsplit oder sogar ein Ackerweg auf Bauschutt.
In Evern verpassten wir leider eine Abzweigung und plötzlich waren wir bereits am Mittellandkanal und dann auf der falschen Seite. Bei Haimar ging es zurück auf die richtige Seite und dann standen wir schließlich auf den Äckern und ich versuchte das Kartenbild mit den zu sehenden Wegen und Pfaden in Übereinstimmung zu bringen. Wir fuhren einen großen Schlenker, aber ein Einheimischer brachte uns wieder auf den richtigen Weg. Nach zweieinhalb Stunden (inklusive Getränkepause) waren wir am Adolphshof. Habe mit GoogleEarth die exakte Strecke ausgemessen und wir sind 34 Kilometer vom Lister Turm bis zum Adolphshof gefahren.

Das Masala-Festival findet seit Jahren auch an verschiedenen Standorten in der Region statt. Für mich erstaunlich waren Hunderte von Menschen gekommen. Das Konzert sollte bereits um 18:00 Uhr stattfinden, was mir auch sehr verständlich erschien, da alle Hannoveranner noch einen langen Rückweg vor sich hatten und am nächsten Morgen der Wecker zur Arbeit klingelt.
Wir hatten uns als Gruppe auf einer Wiese niedergelassen.















Es gab Pinkus-Ökobier und auch Wurst, Kekse und andere Leckereien waren Öko.














Die Musik war für mich vor allem Hintergrund, denn ich genoß es mit einen von meinen Gästen zu plaudern. Die Amsterdam Klezmer Band spielt Klezmer und Gypsy mit Jiddischen und Niederländischen Texten. 12 / 15 Euro für Hintergrundmusik ist viel Geld, aber es hat sich zumindest öffentlich keiner beschwert.
Ich habe u.a. drei interessante Bücher und eine DVD geschenkt bekommen. die Rezensionen folgen nach dem Genuss.


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Donnerstag, 5. Juli 2007

Mlimani Park Orchestra aus Dar es Salaam

Gestern eröffnete das Mlimani Park Orchestra aus Dar es Salaam das 13. Masala Welt-Beat Festival im Pavillon Hannover. Zehn Herren zwischen vielleicht 25 und deutlich über 50 Jahren standen auf der Bühne und spielten ostafrikanische Tanzmusik (Kiswahili: muzika wa dansi).
Das war keine anspruchsvolle Musik, einfach gute Tanzmusik, die noch viel besser angekommen wäre, wenn der Pavillon nicht wieder die gesamte Tanzfläche bestuhlt hätte. Wer immer dafür zuständig ist, zeugt von einer ausgesprochenen Ignoranz gegenüber den Künstlern des Abends und einem Großteil des Publikums.
Die Musik des Mlimani Park Orchestra ist ungewöhnlich. Ich kenne diese Musik ja von Konzerten in Dar es Salaam. Stücke sind in der Regel zweigeteilt mit einer ruhigen Passage im Stil einer Ballade und einen folgenden schnellen, treibenden Rhythmus. Wesentlich sind hierbei die kurzen Bläsersätze (eine Trompete und ein Alt-Saxophon) und zwei Gitarren. Letztere spielen diese hohen Töne in einem Rhythmus, der charakteristisch für Soukous aus dem Kongo ist. Remmy Ongala soll diesen Musikstil aus dem Kongo mitgebracht haben, als er sich in Dar es Salaam niederließ und sein Orchestre Super Matimila gründete.
Mlimani Park Orchestra ist eine von den Bands aus Dar es Salaam, die nach einem Club benannt ist. Viele dieser Musikclubs haben Hausbands, die regelmäßig in diesen Open Air Restaurant und Bars für zahlendes Publikum spielen. Diese Musik kann entsprechend auch vor diesen Bars ohne Bezahlung genossen werden.
In der Anfangszeit dieser Tanzkapellen waren die Musiker nur Angestellte, die auf Instrumenten der Musikclubs spielten. Diese Angestellten wechselten dann auch schon einmal die Bands. So standen nun im Pavillon Muhiddin Maalim und Hassani Bitchuka (beide Gesang), Kassim Rashid (Gitarre), Charles John Ngosha (Bass) auf der Bühne, die auch zwischenzeitlich für International Orchestra Safari Sound gespielt hatten.
Das Mlimani Park Orchestra (hier findet sich eine gute Bandgeschichte) und andere Bands singen auf Kiswahili über Alltagsprobleme und –freuden. Viele Lieder sind im bestens Sinne stadtbekannt und werden zum Teil mitgesungen. Der Gesang ist dabei oftmals zweigeteilt. Ein Leadsänger und die beiden anderen Sänger singen im Refrain mit.
Der Gesang wechselt bei den einzelnen Stücken zwischen den Sängern. Begeisterungstürme gab es für die Tanzeinlagen, wenn drei bis fünf Musiker synchron Mtingo mit seinen immer wieder abgestoppten Bewegungen tanzten. Auch wenn der alte Herr am Mikrophon (Hassani Bitchuka) aufreizend tanzte oder besonders gut mit seiner Stimme spielte, gab es Szenenapplaus. Einer der jüngeren Sänger übernahm die Aufgabe des Animateurs und tanzte eigentlich das ganze Konzert durch und dabei immer wieder an der Bühnenkante mit aufmunternden Armbewegungen für die Tanzenden links und rechts von der Bühne.
Der Bassist zeigte die größte Spielfreude und baute immer wieder neue Strukturen über das Schlagzeug und die Gitarren. Für solche Eskapaden bietet die Musik viel Platz, denn im treibenden zweiten Teil eines Stücks gibt es eine Grundlinie, die von Schlagzeug, Rhythmusgitarre und Congas gespielt wird und zu der die Bläser, Leadgitarre und Bass phrasieren.
Ungewöhnlich ist das Ende vieler Stücke. Nachdem eine Grundidee über viele Minuten in hoher Geschwindigkeit variiert wurde und Soli gespielt wurden, endet das Stück einfach so.

Es sind lange Stücke und so hat man als Tänzer, der ich nun einmal bin, einen Moment zum Verschnaufen und dann geht das nächste Lied langsam los. Ich war total durchgeschwitzt. Mit einem Grinsen sah ich nach meiner Rückkehr, dass vom Rücken so viel Wasser heruntergelaufen war, dass ein nasses Dreieck vom Hosenbund nach unten lief.

Die Konzerte mit Bands aus afrikanischen Staaten sind auch jeweils ein großes Hallo. „Du auch hier?“ wird rhetorisch gefragt: „Natürlich!“ Einige Personen vermisste ich dann doch, vielleicht hätte ich auch noch mal persönlich die Werbetrommel rühren sollen, wie es vor zehn Jahren noch selbstverständlich war.

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Bahnhofsmanagement Braunschweig

Auf den kleineren Bahnhöfen, und ich würde Braunschweig hierzu zählen, findet sich zwischen den internen Hinweistafeln stets ein Farbfoto mit dem Team vom Bahnhofsmanagement. Dies ist ein verantwortlicher Job, aber hier kann ich zweimal in der Woche auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeit erleben, dass einzelne Elemente in der Kundenbetreuung immer noch nicht verstanden wurden.

Beispiele gefällig?

Kurz bevor der Zug nach Hannover bereitgestellt wird, kommt auf dem gleichen Gleis ein Zug aus Hannover mit der Endstation Braunschweig an. Auf den Anzeigetafeln steht entsprechend zunächst „Ankunft 17:04 nicht einsteigen“, dann erlischt die Anzeige und dann wird die Abfahrt meines Zuges angezeigt. Die Anzeige für den Folgezug erscheint in der Regel, wenn der andere Zug noch im Gleis steht und ein Zugbegleiter durch den leeren Zug geht, um Fenster zu schließen, etc. Regelmäßig sehe ich Menschen auf das Gleis stürmen und bei den Versuch, den Zug, der nun auf ein Abstellgleis fahren soll, zu besteigen. Manchmal schaut der Lokführer aus seinem Fenster und informiert diese Irrläufer. Es gibt eine Bahnsteigüberwachung durch Kameras, also eigentlich sollte das Management wissen, wann eine Anzeige aktualisiert werden sollte.

… oder …

Während ein Zug einfährt und die kreischenden Bremsen jedes Gespräch auf dem Bahnsteig zum Verstummen bringen, beginnt bereits die Willkommensmeldung vom Bahnhof gefolgt von den Hinweisen auf Anschlussverbindungen. Ich kenne es selbst zur Genüge, im abbremsenden Zug ist kein verständlicher Satz von den Bahnsteigansagen zu hören. Erst wenn die Türen sich geöffnet haben, erreichen mich als Reisenden die für mich bestimmten Nachrichten, die dann aber bereits kurz vorm Ende sind. Und wieder gilt, die Kameras sollten dem Management zeigen, wann ein Zug steht und somit wann Informationen für die umsteigenden Reisenden sinnvoll wären.

(Nachtrag Dezember 2008):


. . . oder . . .

Fünf bis zehn Minuten vor der Bereitstellung eines Zuges kommt die Stimme vom Band, die darüber informiert, dass auf dem Gleis 5 der Zug (nach Hannover und weiter in den Westen) bereit steht. Die Bahnhofshalle wird verlassen und der Bahnsteig betreten. Es ist Dezember, es ist lausig kalt auf dem Bahnsteig und der Zug steht noch auf dem Abstellgleis und nur die drei Frontlichter sind in der Ferne zu sehen. In den nächsten Minuten passiert nichts und wenn dann endlich der Zug bestiegen werden kann, bin ich garantiert vollständig durchgefroren.
Und wieder gilt, die Kameras sollten dem Management zeigen, wann ein Zug tatsächlich zur Verfügung steht und somit wann Informationen für die Reisenden sinnvoll wären.

Diese Ignoranz lässt mich als planenden Menschen nur den Kopf schütteln.

Nachtrag vom 25. März 2009:
... und als ich heute dann darauf hinwies, dass die Zuganzeige für mein Gleis auf beiden Seiten bereits den Folgezug zeigte, wurde ich wie ein kleines Kind behandelt. Das Gleis ist oftmals zweigeteilt, da von dort nur kurze Regionalbahnen in zwei Richtungen abfahren. Ich wurde darauf hingewiesen, dass auf dem Gleis später auch ein Zug nach Gifhorn fährt.
Ich wiederholte, dass auf beiden Anzeigen dieser Zug nach Gifhorn angezeigt wird. In der folgenden Hektik der Korrektur wurden die Sprachschnipsel aus dem Computer zunächst unvollständig zusammengefügt. Es hallte die Nachricht, dass mein Zug im Abschnitt a abfährt. Hm, war die Nachricht nur für mich, denn es wurde kein Gleis genannt. Der Fehler wurde aber sofort korrigiert und danach wurde jede Minute angesagt, dass auf dem Gleis zwei Züge stehen.

In der Summe:
unfähig, unfreundlich und nicht lernfähig,
denn bei meiner nächsten Fahrt wenige Tage später war wieder nur der Zug nach Gifhorn angezeigt und ich erlebte gleich zweimal, dass Passagiere vorne beim Lokführer einstiegen und sich dort noch einmal bestätigen ließen, dass sie nun in den richtigen (nicht angezeigten) Zug gestiegen sind.

Montag, 2. Juli 2007

Silbernes Abitur

Auf dem Weg zum türkischen Restaurant Ali Baba ging ich auch am Lokal Wein-Krüger vorbei. Ich erinnerte mich noch gut daran, dass ich doirt einmal mit dem Geschichte Leistungskurs einen Abend verbracht.
Es war noch fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit, als ich das Restaurant betrat. Vor mir fragte gerade ein gleichaltriger Mann nach dem Klassentreffen. Auf Treppe begrüßte ich ihn, ohne ihn zu erkennen. Er nannte seinen Namen, aber noch kam keine Erinnerung auf. Vielleicht hätte ich vor der Abfahrt noch einmal die Adressenliste und das Jahrgangsfoto anschauen sollen. Ich bezahlte den vereinbarten Betrag von €35,00, womit Essen und Trinken pauschal beglichen war. Ziemlich viel Geld für Büfett und einfache Getränke.

Acht Personen standen im Kreis und hatten dieselbe Idee: Früh erscheinen und sich an dem Spiel des Wiedererkennens beteiligen wollten. Einer der Organisatoren begrüßte uns individuell und als ich sah, dass zwei andere Personen auch Namensschilder aus einem Kontext hatten, nahm ich mein Schild vom Europa-Kolleg heraus.

Die anderen Teilnehmenden kamen nun im kurzen Takt und der Kreis der sich Begrüßenden wurde immer größer. Mit jeder Minute kamen mir viele Gesichter vertrauter vor, Namen wollten aber nicht aufkommen. Vor 25 Jahren hatte ich 33 Monate mit diesen Menschen abgeschlossen. Wir waren knapp über 100 im Jahrgang, aber in unserem Kurssystem waren vielleicht 30-40 von ihnen mit mir in einem der Fächer zusammen. Alle anderen waren mir schon zu Schulzeiten nur vom Gesicht bekannt.
Viele Namen wurden mir genannt, klangen bekannt, aber ich hätte nicht sagen, ob ich mit ihnen einen Kurs belegt hatte. Nur von den beiden anderen Hannoveranern, die beide nicht anwesend waren, wusste ich, dass sie mit mir Mathematik, Biologie und Geschichte hatten.
Es gab dann einige peinliche Momente, als zum Beispiel gleich zwei Personen mich daran erinnerten, dass sie mit mir im Geschichte Leistungskurs gewesen waren, ich mich aber überhaupt nicht daran erinnern konnte. Die einzige Frau mit Migrationshintergrund war gleichzeitig die einzige Frau im Kurs, aber selbst an sie konnte ich mich nicht erinnern. Viele konnten sich an Dativ erinnern, aber ich nicht umgekehrt!

Als vor fünf Jahren die Einladung zum zwanzigen Jubiläum kam, nahm ich diese nicht an, da ich wenige Jahre vorher nach zwanzig Jahren meine Mitabsolventen von der Realschule in Zeven getroffen hatte und dies in unangenehmer Erinnerung verblieben war. Nun war der zeitliche Abstand weit genug und ich war ehrlich interessiert, etwas über die Biographien zu hören.

Und dann sah ich endlich ein Gesicht, was ich nicht nur wieder erkannte, sondern auch einem Namen zuordnen konnte und Teile der Biographie kannte. Eine der Frauen aus Ganderkesee kam in den Saal. Ich habe mich wirklich gefreut, musste aber noch fünf Minuten warten, bis ich fast am Ende aller Anwesenden vor ihr mit einer Umarmung begrüßt wurde. Wir wechselten einige Worte und kommentierten und rätselten gemeinsam bei jeder neu Ankommenden. Sie (er)kannte viel mehr Menschen, aber sie lebt auch wieder in Ganderkesee und hatte Kontakte gepflegt. Ich hatte mit meiner Ausreise nach Tanzania im Jahre 1988 die letzten Kontakte zu den Ganderkeseern verloren und nach meiner Rückkehr auch nicht wieder aufgenommen. Ich stand damals vor meiner Abschlussarbeit und hatte andere elementare Probleme.

Ich saß mit einem vertrauten Ganderkeeser und zwei weniger vertrauten Delmenhorstern am Ende eines der Tische. Der eine erzählte von seinen Problemen, die er mit der Schule, einigen Lehrern und dem Direktor hatte. Er war stets von einem umfassenden Gerechtigkeitssinn geprägt und so war es auch nicht verwunderlich, dass er Anwalt geworden war. Das waren zum Teil sehr unterhaltsame Anekdoten, die in dieser kleinen Gruppe erzählt wurden. Nach dem Essen kam ich auch mit anderen ins Gespräch.
Es war sehr angenehm und keine Bundesleistungsshow. Also keine Fotos mit dem Spruch: meine Frau, mein Haus, mein Auto, sondern höfliche und oftmals interessierte kleine Gespräche.

Plötzlich bemerkte ich, dass in weniger als 15 Minuten der letzte Zug nach Hannover fahren würde und so erfolgte eine schnelle Verabschiedung. Als ich bereits meine Jacke anhatte und mich von der Frau aus Ganderkesee verabschieden wollte, fragte ein Mann aus Ganderkesee, wo ich denn jetzt hin will. Zum Bahnhof und das nun auch relativ eilig. Er sagte, dass er am nächsten Tag nach Hannover fahren würde und ich im Elternhaus ein Bett finden würde. Sehr kurze Überlegung und zog ich dankend die Jacke wieder aus. Ich wäre vermutlich der erste gewesen, der das Treffen verlassen hätte.

Es wurde dann doch noch spät. Es war schon gegen 3 Uhr in der früh, als wir uns zu dritt von einigen Verabschiedeten und zur Tür gingen. Das Personal hatte bereits seit einer halben Stunde verschiedene Signale gegeben, die als deren Wunsch, dass das Treffen doch bald zu einem Ende kommt, verstanden werden konnten. Jeder nicht mehr genutzte Tisch wurde abgeräumt, die langen Tischreihen wurden wieder in Einzeltische getrennt und für die nächsten Gäste eingedeckt.
Am nächsten Tag erfuhr ich, dass selbst nach Sonnenaufgang eine kleine Gruppe noch verblieb. Sie waren aus Hamburg angereist und warteten auf die erste Verbindung nach Hause. Wir fuhren mit einer Familienkutsche nach Ganderkesee und einige Straßen erschienen sogar vertraut. Mir wurde das fertig bezogene Gästebett, dass eigentlich für meinen Gastgeber vorgesehen war, gezeigt und wenige Minuten später schlief ich bereits.

Am nächsten Tag ging es noch einmal kurz durch Ganderkesee und zwei Haushalte wurden besucht. Alle haben es geschafft sich zu etablieren. Großes Haus, jugendliche Kinder und ein geregeltes Einkommen. Gradlinige Biographien mit einem schnellen Eintritt ins Berufsleben. Das war leider frustrierend, weil es zeigte, dass ich mit meinem Lebensweg, der in vollständiger Armut enden kann, alleine war.
Im Auto ging es dann zurück nach Hannover und ich verstand einmal mehr, wie hoch komplex die heutige industrielle Produktion in einem der großen Werke in Hannover ist. Ein Ingenieur, der nicht nur konstruiert, sondern Produkte testet, Fehlerquellen sucht und bei Schadensfällen eine Analyse der möglichen Ursachen vornimmt. Nicht wirklich kreativ, aber sehr vielseitig.

Wiedersehen in Delmenhorst

Im Mai 1982 erhielt ich vom Gymnasium in der Max-Planck-Str. in Delmenhorst – für uns war einfach die Maxe – meine Allgemeine Hochschulreife. Mein Notendurchschnitt war sehr bescheiden, aber ich hatte Abitur!
Zwei vom Abi’82 waren so rührig, dass sie mit einem Vorlauf von mehr als einem halben Jahr eine Wiedersehensfeier im türkischen Restaurant Ali Baba in Delmenhorst organisierten. Diejenigen von uns, die sich auf den Weg machten, waren bestimmt genauso dankbar für diesen Einsatz wie ich.

25 Jahre sind eine lange Zeit und ich war gespannt wer erscheinen würde und ob meine Erinnerungsbilder ein Wiedererkennen ermöglichten.
Ich war bewusst früher nach Delmenhorst gefahren, zum einen konnte ich nun mit einem direkten und leider total überfüllten RE fahren und damit erstmals das Niedersachsen-Single-Ticket nutzen und zum anderen hatte ich damit mehr als eine Stunde Zeit, durch Delmenhorst zu bummeln. Wann war ich zuletzt in dieser Stadt gewesen? Ob es nun 1984 oder 1985 war, ist dabei egal, denn es waren auf jeden Fall mindestens zwanzig Jahre vergangen.

Ich glaube es war eine von diesen Geschichten mit Herrn Keuner von Bert Brecht, die wir im Deutschunterricht kennen lernte: „Das Wiedersehen. Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert." „Oh!" sagte Herr Keuner und erbleichte." Für Delmenhorst kann ich sagen, dass ich mehr als einen Kilometer spazieren musste bis die Ahnung einer Erinnerung von etwas Vertrauten aufkam.

Ich ging durch die Fußgängerzone und mein Blick suchte das Steh-Café, in dem wir so viel Zeit in den Freistunden verbrachten. Das Café konnte es in dieser Form nicht mehr geben, da Eduscho nicht mehr existierte. Gegenüber von dem Café gab es einen der ersten McDoof, den ich auch an denselben Standort nur in einem neuen Gebäude wiederfand. Das Café war verschwunden, wie auch der Buchladen, wo ich erstmals dieses angenehme Kribbeln spürte, beim Blättern und Anlesen von Literatur. Ich meine mich zu erinnern, dass der Buchladen zwei Etagen hatte und die Literatur in der 2. Etage zu finden war mit Blick auf die Fußgängerzone.
Ich passierte das Ali Baba und ging schließlich nach rechts, wo ich auf vertraute Straßennamen und Häuser im Umfeld meiner Schule hoffte. Als ich den Straßennamen Cramerstr. las, klang dies bekannt.
Ich ging bereits einen Kilometer entlang dieser Straße und hatte das wachsende Gefühl, dass ich auf dem falschen Weg war. An der nächsten Ampelkreuzung bog ich in die Bismarckstr. ab und lächelte. Hier wies ein Schild auf das Theater „Kleines Haus“. Dies war der Name des Gebäudes, das auch als Aula der Maxe genutzt wurde.

Kolossale Villen säumen die Straße und dann sah ich einen vertrauten Zebrastreifen, der in diesen Fall die Nähe einer Schule signalisierte. Die vorher passierte Bushaltestelle hieß bereits Max-Planck-Str.
Direkt am Beginn der Straße war meine ehemalige Schule zu sehen. Ich fingerte einen neuen Film in die Kamera und machte ein erstes Bild. Ich war Tourist und hängte deshalb meinen Apparat um den Hals.
Vor der Schule standen drei Mädchen und warteten auf jemand. Sie baten mich, doch von ihnen ein Foto zu machen. Lächelnd sagte ich ab, da ich zwar die Schule kenne, sie aber nicht. Hier schien sich nicht viel verändert zu haben.
OK, die Maxe hatte ein Logo bekommen, das auf einem Metallschild vor der Schule zu finden ist und eine Kamera kontrollierte den Fahrradhof. Ich ging einmal um das Gebäude und machte einige Fotos











(Das ist der Schulhof für die Sek-II, wo damals auch geraucht werden durfte. Hier hat sich doch etwas verändert, denn in meiner Erinnerung waren hier auch hohe Büsche, die eine Beobachtung erschwerten und ich habe klare Erinnerung daran, dass es Mitschüler gab, die auf diesen Hof in der Pause einen Joint geraucht haben)
Diese Zeilen schrieb ich schließlich auf der Burginsel. Dies war für mich einer der Rückzugspunkte, wenn ich alleine in einer Freistunde sein wollte. Es ist immer noch ein ruhiger Ort. Eine junge Bäume mit hellem grün filen mir auf, da waren Mammutbäume oder eine ähnlich stark abholzende Baumart gepflanzt wurden.

Hier auf der Insel war etwas Vertrautes in einer Stadt, die sich stark verändert hat.