Gestern erfuhr ich im Chat, dass eine portugiesische Abiturientin der Deutschen Schule Lissabon nun ihren Studienplatz der Medizin an der Universität Göttingen antreten wird. Sie schrieb, "in den letzten tagen habe ich angst davor gekriegt". Dies führte mich zu Gedanken, wie ich früher die Fremde erfahren habe.
Als ich mein Studium an der Universität Dar es Salaam (=UDSM) antrat, hatte ich keine Angst, sondern nur Neugier und gespannte Erwartung. Einen Kulturschock hatte offensichtlich eine meiner Mitreisenden, die auf der Taxifahrt vom Flughafen zur Universität einen Weinkrampf bekam. War das Elend mit seinen Slums und Squatters, das links und rechts von der Straße zu sehen war oder war es das Erkennen, das Partner und Familie fast unerreichbar waren?
Kommunikation war damals im Jahre 1988 im sozialistischem Land Tanzania ein echtes Problem. Ein funktionierendes Telefon zu finden, einen fairen Preis auszuhandeln und dann mit Echo und schlechter Stimme eine vertraute Stimme zu hören, erschien mir so irreal, dass ich während des ganzen Jahres es nie versuchte; erst einige Jahre später nutzte ich von Ghana ein Telefon -Zeitverzögerung und Echo machten telefonieren zu einen kuriosen Erlebnis. Mobiltelefonie und Internet waren noch nicht bekannt und so verblieben nur Briefe und Telegramme, wobei erstere nur eine 95-Prozent-Beförderungsgarantie (galt für beide Richtungen) hatten.
Ernüchternd kann im Nachhinein festgestellt werden, dass wir drei deutschen Studierenden jeweils unsere Partner durch Entfremdung verloren und nach diesem extremen Erlebnis eine Erneuerung der Beziehungen nach der Rückkehr nicht mehr möglich war.
Ich erlebte meinen Kulturschock nach meiner Rückkehr nach Hannover. Es dauerte Monate bis ich mich an die Geschwindigkeit des Verkehrs und der nie vorhandenen Zeit für ein Gespräch gewöhnt hatte. Es gab auch in Tanzania schnelle Autos und dicht befahrene Straßen, dass war aber in keiner Weise mit Deutschland zu vergleichen. Das man täglich an der UDSM mit mehreren Dutzend Menschen kurze Gespräche führte, erschien mir zunächst kein Verlust in Hannover, da es sich zumeist um höfliche Floskeln handelte. Doch plötzlich nur noch 2-3 Gespräche am Tag zu führen war irritierend.
Dennoch verstehe ich die angehende Mediziner, denn Sie verlässt den Ort ihrer Kindheit und Jugend. Als ich nach Tanzania aufbrach hatte ich bereits seit fast acht Jahren außerhalb der Familie an verschiedenen Orten gelebt.
1 Kommentar:
Wie du es weiBt habe ich mein Auslandsjahr vor einem Monat begonnen .Ich hatte auch keine Angst, natuerlich ist meine Situation ganz anders; lebe in einer Familie, Internet und Telefon existieren.Ich kenne einige die aber Angst hatten. Ich hatte keine Beziehung, hatte nichts zu verlieren.Ich habe mir aber schon Monate vor der Abfahrt den Moment vorgestellt als mir am Flughafen die Familie aus der Sicht verschwindet.Ich stellte es als etwas sehr positives vor, und das war es auch.Genau so war das mit dem ersten Tag in der Schule.Das neue, das unterschiedliche war ein herrliches Gefuehl.
Meine letzte Woche verbrachte ich mit feiern, Freunde treffen und dachte ziemlich wenig an die Abfahrt( und an zusammenpacken, was meine Mutter irritierte).
Das ist mein Erlebnis ueber das Beginn eines Auslandstudiums, und vielleicht ueber das Verlassen des Familiennestes.
dana
Kommentar veröffentlichen