Sonntag, 7. November 2010

Anti-Atom-Kundgebung im Wendland

(Nachtrag: Ein feiger Kommentar zu diesem Beitrag am Ende)

Am 6. November war die Auftaktkundgebung zu den Protesten gegen den Castortransport und die Atompolitik östlich von Dannenberg im Wendland. Die verschiedenen Antiatom-Aktivitäten in diesem Jahr und die verlogene Atompolitik des Atomministers Röttgen und seiner Chefin (Ur)Angela Merkel ließen bereits erahnen, dass in diesem Jahr viel mehr Menschen sich auf den Weg ins Wendland begeben würden, als in den Vorjahren. Die Mobilisierungskundgebung in Hannover vor zwei Wochen war bereits die größte Demonstrationen gegen Atomkraft in meiner Stadt seit der Jahrhundertwende.
Sowohl die Grünen Hannover, als auch Atomplenum Hannover und Bürgerinitiative Umweltschutz Hannover hatten separat Busse organisiert. Die Grünen hatten sieben Busse und ich saß in einen der sechs Busse der BiU. Es war ungemütliches Wetter angesagt und deshalb und wegen der großen Zahl der erwarteten Demonstranten sowie der Unkalkulierbarkeit der politischen Vorgaben an die Polizei, war mein Rucksack bis über den Rand gefüllt. Ich hatte eine komplette zweite Garnitur zum Wechsel nach natürlicher oder staatlicher Durchnässung in Plastik verpackt dabei.
Doch das Wetter war auf unser Seite, die Fahrt zum Busbahnhof erfolgte noch im leichten Regen, doch zwischen Unterlüß und Blickwedel war der ausgefranste Rand der sich abregnenden Wolken zu sehen. Bei Suderburg waren schließlich blaue Flecken zu erkennen. Doch der Dampf der Zuckerfabrik Uelzen zeugte davon, dass ein kräftiger Wind aus Nordwest kühle Luft heranwehte.
Die Fahrt war sehr gut organisiert. Wir erhielten Pläne, die den Busparkplatz und das Kundgebungsgelände zeigten, sowie eine Information mit Programm und den wesentlichen Telefonnummern für den Notfall. Wegen der großen Zahl der angekündigten Busse (ich las die Zahl 300) wurden die Fahrzeuge aus den verschiedenen Richtungen getrennten Parkplätze zugewiesen. In einem Sternmarsch sollten wir dann zum Kundgebungsgelände zwischen Nebenstedt und Splietau gelangen. Marsch ist schon der richtige Ausdruck. Der verteilte Plan wurde noch erläutert und dabei gesagt, dass es etwa 5km bis zum Kundgebungsplatz sind.
Zeitgleich kamen viele Busse an und als ich mich, nachdem ich kein bekanntes Gesicht gefunden hatte, auf den Weg machte, war der Fußweg dicht gefüllt mit Demonstranten, die sich für mich viel zu langsam in eine Richtung bewegten.
Aus angrenzten Straßen kamen kontinuierlich weitere Personen und die Menschen waren so ordentlich, dass die Wege immer dichter gefüllt wurden. Auf die B191 konnte nicht ausgewichen werden, da dort reger Verkehr herrschte. Die Polizei war nur mit wenigen Personen an den Kreuzungen zu sehen und erst an der Kreuzung mit der Gartower Str., aus der eine weitere dichte Menschenschlange kam, bogen wir in eine für den Verkehr gesperrte Straße ein. Auf diesem letzten Kilometer standen mehrmals Kleinlastwagen am Rande, auf deren Pritsche Musik gemacht wurde. Ich kam ziemlich genau um 13 Uhr auf dem Kundgebungsgelände an und mit dem Beginn des offiziellen Programms kam wirklich die Sonne heraus. Sie hatte keine Kraft mehr, doch gab es erstmals lauten Applaus, der einen erahnen ließ, wie viele Menschen sich auf diesem abgeernteten Maisacker versammelten. Ob es nun 25.000 waren oder sogar mehr als 40.000 ist mir egal. Wir waren sehr viele und das ist wichtig, um den Protest politisch nach außen zu tragen und nach innen das Gefühl zu bekommen, dass wir weder radikal noch alleine sind, mit unserem Ziel Atomkraft zu beenden.
Dies war dann auch der wesentliche Slogan, der mehrmals in Redebeiträgen vom Publikum aufgenommen wurde und Tausendfach über den Platz schallte ABSCHALTEN!

Nach Jahrzehnten mit Demonstrationen und Kundgebungen fanden Kumi Naidoo (Greenpeace International) und die anderen Redner die richtigen Worte, denen ich mit Interesse zuhörte. Ich fand es auch korrekt, dass ein Rechtsanwalt vom Ermittlungsausschuss die Unglaubwürdigkeit von Jürgen Trittin, Claudia Roth und Christa Goetsch (Senatorin in Hamburg) namentlich kritisierte und an Zitate von denen erinnerte, in denen Sie den Protest gegen Atomkraft kritisierten. Alle drei Genannten waren ins Wendland gereist, um hier symbolische Bilder auf Traktoren oder vor der Polizei produzieren zu lassen.
Das kulturelle Programm auf der Bühne war dürftig und deshalb kein weiteres Wort hierzu.
Zur hässlichen Gewalt vor Splietau siehe den Blogeintrag Schwarzer Block vor Splietau in Aktion.

Die Kreativität, die von Transparenten, selbst gemachten T-Shirts und Figuren ausging, war Herz erfrischend. Der Humor war selten sarkastisch oder zynisch. Wortspiele und Ironie ließen mich oftmals lächeln. Auf einem Plakat war einfach Blinky der dreiäugige Fisch aus der Welt Simpsons zu sehen. Und wo anders entdeckte ich natürlich auch Mr. Burns.
Der Rückweg zum Bus erschien fiel länger und war stressig, da wiederum nur die Fuß- und Radwege benutzt wurden. Als dann Demonstranten auch noch an einer roten Ampel stehen blieben, obwohl kein Verkehr zu sehen war, und damit einen der Gründe für das Stocken des Menschenstroms schufen, fasste ich mich in Gedanken an den Kopf.

Wir waren ein bunter Querschnitt eines wesentlichen Teils der Bevölkerung. Es waren Junge und Alte, es waren Einzelne und Familien mit Kindern, es waren freakige Typen und viele Menschen in funktionaler Outdoor-Kleidung. Leider fehlte eine Gruppe mal wieder oder war zumindest so stark unterrepräsentiert, dass ich niemanden sah. Menschen mit Migrationshintergrund habe ich nur Anfang der 1990-er Jahre auf den Kundgebungen gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit gesehen. Gegen Atomkraft sah ich sie noch nie.

Nach halbstündigen Warten verließen wir als einer der letzte Busse den Großparkplatz und kamen nur zwei Mal in eine zähe Verkehrssituation. Radio Freies Wendland berichtete uns aktuell, dass der Transport mehrere Stunden Verspätung hat, da bereits mehrmals erfolgreiche Blockaden zum Stopp oder zu einem Umweg des Sonderzug führten. Ein gelungener Auftakt gegen den Castortransport 2010. Die Kombination von CastorTicker und taz-Ticker gab stets einen guten Überblick über die Aktionen und Meinungen vor Ort. Spiegel online reichte erstmals nicht an diese Berichterstattungsquantität und -qualität heran..
Und alles endete mit einem gelungenen, virtuellen Witz: Als die Castoren in das so genannte Zwischenlager einbogen und der Lobby-Verband Atomforum auf der Verhüllung der Transportbehälter für seine Webseite warb, wurde diese gehackt..

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Ein dümmlicher Kommentar von Anonym erreichte mich um 21:52: Wo ist das Problem? "Man sollte den Zug einfach durchfahren lassen! Wen sich so ein Schwachkopf auf die Schienen legt, gibts eben einen Deppen weniger!". Wäre schön, wenn ich so einen menschenverachtendes Wesen bloßstellen könnte, aber es halt einer von diesen vielen Feiglingen der Anonymität der virtuellen Welt. Er hatte sich mit der IP-Adresse:
net1701.zhbia10p-rtdi01.bluewin.ch eingeloggt. Also ein Feigling aus Zürich, der sich über Swisscom eingeloggt hatte.

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