Ich gehöre zu den Menschen, die sich für 8 Cent bücken, sprich wenn ich auf meinen Wegen eine leere Pfandflasche sehen, nehme ich sie mit und stecke sie später am Supermarkt in den Automaten. Dies sind Zufälle und Gelegenheiten und passiert nur wenige Male im Monat.
Doch es gibt Flaschenpfandsammler, die systematisch vorgehen und sich damit etwas Geld verdienen. Ich benutze bewusst die männliche Schreibweise, da ich bisher nur auf Veranstaltungen hier und in einem Park von Helsinki Frauen habe sammeln sehen. Ich verbinde dies mit Armut, da es oftmals ziemlich abgerissene Typen sind, welche Papierkörbe und andere Müllbehälter nach Leergut durchsuchen.
Offensichtlich gibt es an einigen Orten, wo regelmäßig Leergut liegen bleibt, ein Territorialverhalten der Sammler. Am abendlichen Raschplatz sind junge Menschen zu sehen, die vor dem Kinobesuch oder der Disco vorglühen und entsprechend stehen immer wieder auf Treppenstufen und an Sichtblenden leere Flaschen, die aber schnell von Sammlern abgeräumt werden. Eines Abends nach den Kino hörte ich einen Mann mit diversen Flaschen in einem Sack einen anderen aggressiv anrufen: "Verschwinde, dies ist mein Gebiet" (im Original noch unhöflicher).
Ein ähnliches Territorialverhalten sehe ich regelmäßig auf der Bus-+Bahnstation Wolfenbüttel, wenn ich auf meinen Zug warte Diverse Papierkörbe an den Stationen werden systematisch von jemanden auf einen Fahrrad kontrolliert und es gibt viele Fahrgäste, die ihre Wartezeit trinkend verbringen bzw. die Wartebänke mit ihren Wind- und Regenschutz als Trinkhalle nutzen.
Kann damit wirklich Geld verdient werden oder werden damit nur die nächsten eigenen Biere finanziert? Auf Veranstaltungen wir dem Maifest auf der FAUST-Wiese sammeln die oben genannten Frauen große Plastik-Säcke voll Leergut und da sie vor allem Plastikflaschen sammeln geht es um "echtes" Geld. 50 Flaschen sind bis zu 15 Euro wert und ich kann mich erinnern, dass vor einigen Jahren eine Frau eine Sammelstelle für die blaue Säcke bewachte, während andere sammelten oder dort lagen mehrere gefüllte Säcke.
Doch manchmal gibt es auch Sammler, über die ich mich nur wundere. An den Altglascontainern sind regelmäßig Männer mit merkwürdigen Greifarmen und manchmal sogar einer Stirnlampe dabei, die Container zu kontrollieren und mit ihrem Werkzeug Pfandflaschen zu angeln. So auch vor wenigen Tagen am Containerstandort zwischen meiner Wohnung und der nächsten U-Bahnstation. Das Merkwürdige war nicht der Mann, sondern, dass dieser mit einem großen Kombi vorgefahren war und im offenen Kofferraum waren Faltkisten gefüllt mit Leergut zu sehen und er hatte aus einem Container mit seiner Greifzange bereits weitere Flaschen gefischt. Vielleicht ist es doch keine Armut, sondern bereits ein neue selbstständige Tätigkeit. Es braucht allerdings alleine 200 PET-Flaschen, um die monatlichen Ausgaben für KFZ-Steuer und Haftpflichtversicherung zu bezahlen und dann ist der Wagen noch keinen Meter gefahren.
In Braunschweig wurde mir, nachdem ich meine Beobachtung schilderte, gleich von mehreren erzählt, dass es dort einen stadtbekannten Sammler ("Der Pullenmann") gibt, der systematisch seit Jahren mit einem PKW die Containerstandorte anfährt und dessen Wagen stets mit vielen Flaschen gefüllt ist. Doch es wurde auch gesagt, dass dieser Mann psychisch krank sei und die gesammelten Flaschen nicht unbedingt gegen Geld austauscht. Der Mann hat mehrere Garagen gemietet und zwei von ihnen wurden bereits einmal geöffnet gesehen und dort stapelten sich bis unter die Decke Kisten mit Flaschen.
Diese Männer hindern mich aber nicht daran, auch weiterhin eine gefaltete Plastiktüte in meiner Umhängetasche für Pfandflaschen vorrätig zu halten.
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Nachtrag:
Die zweite Gruppe der Pfandsammler, die schon vom Äußeren nicht an Armut denken lassen, sind sogar ein Thema für eine Doktorarbeit im Fachbereich Soziologie der Universität Freiburg. Sebastian J. Moser untersucht "Die Rückkehr der Sammler: Konturen einer neuen Sozialfigur in deutschen Städten". Er vermutet einen Wandel und sieht den Pfandsammler als einen neue Form der informellen Wirtschaft. Er möchte in seinem Promotionsprojekt u.a. die folgende Frage klären: Welche gesellschaftlichen und/oder individuellen Krisen sind es, für die das Pfandsammeln als eine angemessene Lösung gedeutet wird?
Bin schon gespannt auf die Ergebnisse.
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