Dieses Wort für wählerisch (beim Essen), ist zwischen Hamburg und Bremen geläufig (gewesen). Ich fragte nach den Wortursprung und mein Gast verwies auf das Plattdeutsche. Ich fragte nach ähnlichen Wörtern, aber es fand sich keins.
Ich dachte zunächst an ein Gallizismus. Die so genannte Franzosenzeit war kurz aber die Vielzahl der Kontakte durch Franzosen vor Ort und Deutschen in französischen Diensten führte gleich mehrere Worte in den Grundwortschatz, die erst auf einem zweiten oder dritten Blick ihren französischen Ursprung zeigen. Ich hatte hier im Blog die Etymologie des Wortes Tschüs(s) vorgestellt, aber auch etwas über Killefit geschrieben.
Ein Französisch-Lexikon zeigt cruche, das eine ähnliche Aussprache wie krüsch hat. Die dort genannte zweite Wortbedeutung neben Krug war Dumme Gans, Trottel. doch das passt leider gar nicht zum wählerisch.
Der NDR vermutet Kraut oder ein verschliffenes kritisch als Wortursprung. Grimms Deutsche Wörterbuch verweist auf Kleie und Knorpel, beides Essen, die man wählerisch ablehnen könnte.
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Erst die große Wörterbuchsammlung in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel gab mir dann genügend Hinweise.
Das Niedersächsische Wörterbuch verzeichnet, wo krüsch und seine Varianten gesprochen wird. Es ist ein Streifen im nördlichen Niedersachsen vom Landkreis Cuxhaven bis zum Landkreis Lüneburg und damit auch in meiner ursprünglichen Heimat. In anderen Teilen des Landes wird alternativ von körsch oder kürsch gesprochen.
Das Hamburgische Wörterbuch gibt einen Hinweis auf die Etymologie. Erst wird darauf verwiesen, dass krüüsch oder krüüdsch wie es in Hamburg heißt zunächst mäkelig meinte. Erste Belege stammen von 1730. Im 20. Jahrhundert setzte sich dann die Wortbedeutung wählerisch beim Essen oder der Ehepartner durch. Für krüüdsch wird auf eine Ableitung von Kruut, in der Bedeutung von (Un)Kräutern und das daraus gebildete krüden (jäten/auslesen) verwiesen.
Das Schleswig-Holsteinische Wörterbuch verweist darauf, dass das Wort im Mittelniederdeutschen nicht belegt ist und sieht seinen Ursprung in einer für das Plattdeutsche typische Metathesis oder Lautverschiebung (zum Beispiel Frosch wird im Plattdeutschen zu Vorsch; Christ zu Kerst). Danach stammt das Wort von küren im Sinne von (aus)wählen. Im Plattdeutschen gibt es bis heute küren als Verb für die Auswahl von Vieh. Das hieraus gebildete Adjektiv kürsch wandelte sich durch eine Verschiebung des R (=Metathesis) zum gesuchten krüsch. Dieser Ableitung findet sich auch in den Deutschen Wörterbüchern von Brockhaus/Wahrig und dem Bibliographischen Institut.
Zusammenfassend sehe ich die zwei Etyms krüden und küren, die im 20. Jahrhundert zum krüsch verschmolzen wurden.
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Quellen:
STELLMACHER, Dieter (Hrsg.) Niedersächsisches Wörterbuch, 7. Band ka-küzen, Neumünster 2011, Seite 770.
MEIER, Jürgen/MÖHN, Dieter (Hrsg.) Hamburgisches Wörterbuch, 2. Band F-K, Neumünster 2000, Spalte 131.
MENSING, Otto (Hrsg.) Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch, III. Band K-P, Neumünster 1931, Spalte 352.
1 Kommentar:
Super, vielen Dank!
Endlich mal jemand, der die Etymologie von "krüsch" überzeugend herleitet.
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