Reisetagebuch Osteuropa 2007
Bukarest war anstrengend!
Nachdem ich 28 Stunden in der Stadt war, kann ich gleich mehrere Gründe für diesen dramatischen Einstieg nennen. Bucuresti ist groß (2 Millionen Einwohner) und entsprechend verwirrend. Alleine die Innenstadt hat mehrere zentrale Plätze, die alle mehrmals gequert wurden, ohne das sich eine “mental map” aufbaute. Alles ist auf das Auto ausgerichtet, aber im Gegensatz etwa zu den USA mit seiner car-only-Fortbewegung ist es in Bukarest chaotisch und aggressiv. Für uns Fußgänger gibt es oftmals selbst an wichtigen Straßen mit Läden nur einen Weg von einen Meter Breite, der durch Metallstangen im Abstand von einem Meter dieses Refugium von der Straße trennt. Da die Stangen weit auf dem Fußweg eingelassen sind, reduziert sich diese Schutzzone auf eine Breite von 60-80 Zentimeter. Und dieser “Weg” fordert die gesamte Aufmerksamkeit. Der Untergrund von Beton oder Asphalt hat sich seit seiner Fertigstellung in grauen Vorzeit verändert. Zerbrochen, abgesenkt und mit Schlamm gefüllt oder durch Wurzeln von Bäumen angehoben. Wer seinen Blick vom Weg nimmt, kann vielleicht interessante, angegraute Häuser aus einer Vielzahl von Epochen sehen und manchmal bewundern, aber gefährdet dann seine Knöchel.
Und dann kreuzt eine Straße den Weg. Fußgängerampeln und Zebrastreifen sind nur diskrete Hinweise für die sich nicht im Blech bewegenden Zeitgenossen, dass hier eine Überquerung versucht werden kann. PS-starke Autos halten nicht und hupen sich ihr Recht auf freie Fahrt des Stärkeren und Geschützten. Ältere, Behinderte und Mütter mit Kindern haben nur wenig Chancen n den wenigen Sekunden der Grünphase (die ja außerdem von vielen Autos missachtet wird) eine vier- bis achtspurige oftmals unübersichtliche Kreuzung zu queren. Erst nach mehreren Sekunden Grünphase für Fußgänger sind auch die letzten Automobilisten, die bei dunkelorange (=rot!) ihre Fahrt fortgesetzt haben, auf ihren Weg und kurz drauf gibt es bereits wieder Grün für die Fahrer. Ich beobachtete einmal eine Mutter mit einem Kind von 4-6 Jahren, die zwei Versuche startete, aber beide abbrach und dann hatten die Autos auch wieder offiziell GRÜN und es wäre Selbstgefährdung auf die Straße zu treten.
Habe es selbst bereits mehrmals erlebt, dass Fahrer (männlich, zumeist relativ jung) in großer Geschwindigkeit auf einen zugeschossen kommen und wenn sie nicht wild hupend ihren Weg erzwingen, dann mit quietschenden Reifen unmittelbar vor dem Zebrastreifen stoppen. Adrenalin pur aus der Sicht eines Gehenden. Das ist nicht Rumänien, das ist Bucuresti. Ich sitze hier in Sibiu und hier sind die Blechbesitzer zivilisiert und halten so offensichtlich am Zebrastreifen, dass ich zunächst irritiert war.
Die Stahlstangen, welche die Straße von den Fußgängern trennen sind zwingend. Nur die wichtigsten Straßen haben diesen Schutz und in den Nebenstraßen parken immer wieder Autos auf dem Fußweg von Hauswand bis Bordsteinkante, so dass auf die mörderische Straße ausgewichen werden muss, um diese
Hindernisse zu umgehen.
Der öffentliche Verkehr in Form von Bussen und Straßenbahnen ist sicherer, aber hat keine eigenen Fahrspuren und entsprechend stehen die Fahrzeuge an den Kreuzungen im chaotischen Stau. Apropos Bus, da hatte ich ein schlechtes Erlebnis. Meine Gastgeberin hatte mir beschrieben, wo ich welchen Bus besteigen soll, um schnell in die mehrere Kilometer entfernte Innenstadt zu gelangen. Sie sagte mir auch wie viel dies kosten würde. Tja, da war nur ein Problem. An der angegebenen Bushaltestelle war der Kiosk, in dem Fahrscheine verkauft werden, geschlossen und es gab keine Automaten. Am Wochenende gibt es sehr eingeschränkte Verkaufszeiten und viele Kioske haben gleich ganz geschlossen. Das sah ich zunächst nicht als ein Problem an, der ich hatte meine Gastgeberin so verstanden (wie sich später herausstellte missverstanden), dass ich im Bus beim Fahrer meinen Fahrschein kaufen könnte. Der Bus kam und ich stieg und stellte fest, dass der Fahrer vollständig von den Passagieren getrennt ist und auch keine Kommunikation möglich war. Einer der Gründe hierfür war, dass aus der Fahrerkabine sehr laute Musik schalte und der Fahrer relaxt ein längeres Telefongespräch führte. Im überfüllten Bus sah ich nur Automaten zum Abstempeln bereits gekaufter Fahrscheine. Ich stand mit meinen zwei 1 RON-Scheinen verloren im vorderen Bereich und überlegte, wie ich das Problem lösen könnte, als der Bus los fuhr.
Unter dem Stress einer ungewollten Schwarzfahrt fuhr ich den langen Weg in die Innenstadt, wo der Freund meiner Gastgeberin mich treffen wollte und mir die Stadt zeigen wollte. Die Innenstadt war bereits erreicht, als drei Kontrolleurinnen den Bus betraten und allen Passagieren ihre Dienstmarke zeigten. Ich war einer von zwei Passagieren ohne gültigen Fahrschein und musste zunächst meinen Personalausweis abgeben. An der nächsten Haltestelle verließen wir fünf den Bus und ich erklärte einer Kontrolleurin mein Problem. Die mich befragende Frau sprach ein sehr rudimentäres Englisch sagte aber das was auch Kontrolleure in Hannover sagen würden. Die Begründung für eine Fahrt ohne Fahrschein ist unerheblich und so musste ich 40 neue Lei für eine Fahrt ohne Fahrschein bezahlen. Glücklicherweise nicht mehr, denn ich hatte nur noch etwas mehr als 60 Lei dabei.
Um das Kapitel Verkehr in der Millionenstadt Bucuresti abzuschließen möchte ich noch meine Beobachtungen während einer U-Bahnfahrt hinzufügen. Vom Hauptbahnhof war ich mit ein Mal umsteigen zur Universität gefahren. Es war dies für mich eine beständige aggressive Situation. Überall laufende und schubsende Menschen, die durch schmale Gänge drängten, um ihre Verbindungen zu erreichen. Die U-Bahnen waren voll und auf der großen Fläche zwischen den beidseitigen Türen gab es nur wenig Möglichkeiten, sich irgendwo festzuhalten.
Das war jetzt sehr viel Negatives über Bucuresti. Vielleicht ist die Stadt einfach zu groß für mich. Ich mag auch nicht Berlin aber im Widerspruch hierzu liebe ich London!
Die Schönheit der Stadt Bukarest zeigt sich in den Menschen, den Parks, einzelnen Gebäuden und Häuserzeilen.
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