Sonntag, 17. Juni 2007

Prag, 25. Mai - Teil 1

Reisetagebuch Osteuropa 2007

Praha-Holešovice war für viele Reisende die Endstation, dieser Zug nach Wien lehrte sich merklich. Ich beeilte mich nicht und ließ alle Drängenden vorbei und als ich in der Tür des Zuges stand blickte ich einmal mehr auf einen verwirrend, unbekannten Bahnhof. Fremde Städte sind ein spezieller Kick.
 

Ich stand mit meinen vier Gepäckstücken (Kleiderschrank – Bett – Nahrung – Schreibtisch) an einer Blende einer Treppe und wir sahen uns vermutlich gleichzeitig. Ein leuchtendes Lächeln war auf der anderen Bahnsteigseite zu sehen. Es waren zwei junge Frauen, darunter Zuzana, die mit ihrer strengen Frisur sofort wieder zu erkennen war. Die andere Frau an ihrer Seite erschien mir unbekannt.Nach Begrüßungsküsschen links und rechts wurde mir die zweite Frau als die ältere Schwester von Maja, die ich am Ende dieser Reise in Bratislava besuchen würde, vorgestellt. Sie war auch eine Absolventin des bilingualen Gymnasiums in Poprad und die Mitbewohnerin im Studentenwohnheim.

Auf Nachfrage übergab ich meine beiden leichten Gepäckstücke (Bett = Schlafsack, Handtuch, Kulturtasche; Nahrung = Kekse) an die beiden Frauen und wir machten uns auf den Weg zu angekündigten kurzen Weg zum Studentenwohnheim.

Doch zunächst ging es zum Fahrkartenschalter. Ich gab ihr Geld und sie kaufte für 220,00 Kč (=Korun českých; dies entspricht etwa €9,00) mir ein 72-Stunden-Fahrschein für Praha. Damit war ich für meinen ganzen Aufenthalt in der Stadt mobil. Angenehm sich keine weiteren Gedanken über Fahrscheine zu machen.


Mit einem Bus ging es etwa einen Kilometer nach Norden. Auf einer Stadtautobahn querten wir die Vitava und fuhren bis zu zwei Hochhäusern mit 15 bzw. 20 Etagen. Dies waren neben weiteren Gebäuden die Matematicko-fyzikalní fakulta der UK mit angeschlossenem Wohnheim. In den beiden Hochhäusern leben 1.500 Studierende und ich würde für drei Tage ein Gast sein.

Zuzana studiert in einer anderen Fakultät Germanistik, wohnt aber hier. Habe vergessen zu fragen, warum sie hier eine Unterkunft erhalten hatte. Ihre Mitbewohner gehörte zur Fakultät (Studienfach Logik).

(GoogleEarth-Aufnahme)
Wir fuhren in die 14. Etage und im Fahrstuhl erfuhr ich, dass ich nun doch nicht im Gästebereich unterkommen würde, sondern direkt mit den beiden Frauen zusammen wohnen würde. Ich würde eines der Betten bekommen und ging davon aus, dass eine der beiden bei einem Nachbarn nächtigen würde. Zwei Personen teilen sich ein Zimmer von etwa 16 Quadratmetern mit einem Vorraum mit abschließbaren Schränken. Mit einem Nachbarzimmer teilen sie sich durch zwei abschließbare Türen getrennt Dusche, WC, Kühlschrank, Kochnische mit zwei Platten, Spüle und Vorratsschränke.
Mir wurde „mein“ Bett für die nächsten drei Nächte gezeigt. Ich deponierte mein Gepäck und wir begannen zu klönen. Zuzana hatte ein Programm für meine zwei Tage Prag zusammengestellt. Statt in die ausverkaufte Mozart-Oper sollte es nun zusammen mit Peter, der am EK03 teilgenommen hatte und nun hier Physik studierte, und einer weiteren Poprad-Absolventin ins Theater gehen.

Nach kurzer Erfrischung und einen ersten beängstigenden Blick aus dem Fenster ging es zu zweit nach unten, wo vor dem anderen Hochhauseingang unsere beiden Begleiter warteten. Ich musste zweimal hingucken, doch es war Peter. Aus dem stillen Schüler, der während des Europa-Kollegs optisch eine graue Maus gab, war ein junger Mann mit langen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebändigt waren, geworden. Vertraut war der wohl bekannte feste Blick.

Sein Physikstudium ging bereits auf den ersten akademischen Grad zu und seine Erzählung führte bei mir zu den Eindruck einer intellektuellen Unterforderung mit der daraus resultierenden Frustration. Es waren immer wieder sarkastische Untertöne zu hören. Solche Menschen sollten schnell lernen, ihre überschüssige Kapazität an anderen Stellen abzulassen. Fremdsprachen sind hierfür ein gutes Feld. Er hatte wahrscheinlich bereits eine ähnliche Überlegung hinter sich, denn er sagte, er denke zur Zeit daran, nach seinen Abschluss ein Jahr in Warschau zu studieren und er hat keine Kenntnisse des Polnischen. Das ist dann doch einmal eine Herausforderung.

An diesen angenehmen Abend machten wir uns nach wenigen Sätzen bereits auf den Weg in die Stadt, das Theater würde nicht auf uns warten. Ich war beständig im Gespräch und wir fuhren zunächst mit dem Bus und dann ab Holešovice mit der U-Bahn in die Innenstadt, aber meine Konzentration gehörte den drei mich begleitenden Personen. Ich kann mich nur an wenig erinnern und das auch nur, weil ich ironisch im Bus sagte „so und nun beschreibt mir mal, was ich draußen sehe. Das Studentenwohnheim liegt im Stadtteil Troja und auf dem Weg nach Holešovice fuhren wir an leichte Prachtbauten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts vorbei. Mir kamen Bilder vom Weltausstellungsgelände in London ins Kopfkino. Es war dies das Messegelände.
Von der Innenstadt habe ich keinerlei konkrete Erinnerung, außer das eine Prachtstraße der anderen folgte. Wir haben in Hannover manchmal eine ganze Straße im Wilhelminischen Stil (=Gründerzeit), in Prag folgte Straße auf Straße.


Dann standen wir bereits vor dem Disk-Theater. Es war wirklich auf den letzten Drücker. Ich lud alle drei zum Theater ein, nach Einladung blieb ich der einzige, der mit einem Kaffee (Turecká Káva) in den Saal ging.

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