Sonntag, 17. Juni 2007

Dresden nach Prag

Reisetagebuch Osteuropa 2007

Ich fand meinen reservierten Platz in einem Abteil, dass ich mit vier britischen Senioren und einer deutschen Studentin teilte. Ich hatte den Sahneplatz reserviert, also Fenster in Zugrichtung, denn ich machte schließlich die ganze Fahrt, um so viel wie möglich zu sehen.

Das Elbsandsteingebirge war beeindruckend. Diese steilen Abbrüche zum Fluss hin. Hier war die Erosionskraft der Elbe zu sehen. Der Fluss selber führte nur wenig Wasser. Am Ufer war meterbreit der Kies zu sehen.
Die Grenzer gingen nur symbolisch durch. Der rote EU-Pass reichte um mich durchzuwinken. Wir verließen Schengenland, aber Reisen in diese Richtung wurde nicht beachtet.
Und dann sah ich auf dem anderen Ufer ein bekanntes Gebäude. Eine Grenzstation für den Autoverkehr. Meine Reise hat nun wirklich begonnen, die deutsche Einladung war beendet.
Das Tal wurde noch enger und die Wände steiler. Die Fahrt ging nun durch die Děčínské stěny (immer wenn es auch einen alten deutschen Namen gibt, füge ich ihn bei: Tetschener Wände). Ich suchte nach Veränderungen, die optisch einen Unterschied zur ehemaligen DDR bieten. Hinter der Namen gebenden Stadt Děčín (Tetschen) wechselte die Bedachung. Es gab neben Schindeln auch Ziegeln und Wellblech. Industrielle Gebäude entlang der Strecke zeigten erhebliche Spuren von Verfall. Farbe und Putz waren zum Teil großflächig abgeplatzt; einzelne Bedachungen zeigten deutliche Schäden, doch Lieferwagen zeigten auch, dass in diese Betriebe noch aktiv waren.
Auf dem anderen Ufer waren manchmal herrschaftliche Häuser und Villen zu sehen, die 10 und mehr Meter über der Elbe gebaut waren und bestimmt eine prächtige Aussicht boten. Eines dieser Häuser war fast entkernt. Fenster waren mit Rahmen entfernt.

Ich kann Tschechisch: Autodyla las ich eben auf einem Werbeschild. OK es ist International und nicht Tschechisch, ich musste dennoch über diese Schreibweise für Autohändler schmunzeln.

Die Bahnstrecke wird an vielen Stellen renoviert. In Ústí nad Labem (Außig an der Elbe) waren zehn Meter lange Schienen mit den Betonbohlen über einander gestapelt. Pakete von vier Lagen Schienen und Bohlen waren jeweils auf einem Trailer auf den Schienen zu sehen. Das war sicherlich ein EU-Projekt zur Sanierung der internationalen Verbindungen.

Mit Beschämung musste ich bei der vergleichenden Reise mit dem Finger auf der Landkarte feststellen, dass wir hinter Ústí nad Labem an Terezín (Theresienstadt) vorbei fuhren. Dieses Lager der Nazis wurde für Propagandazwecke genutzt, obwohl es wie viele Lager im Westen nur ein Durchgangslager zu den Vernichtungsstätten im Osten war. 33.000 Menschen starben hier und 85.000 wurden von hier in die Mordmaschinerie deportiert.
Ich stellte leider fest, dass mir nicht bewusst war, dass dieser Schreckensort so nah. Das große Grauen des Nationalsozialismus ist mehr als sechzig Jahre her und auf meiner „mental map“ waren viele der Verbrechen, weit weg im Osten geschehen.
Bei Roudnice (Raudnitz) war zuletzt die Labe (Elbe) zu sehen und ab Nová Ves fuhren wir entlang der Vitava (Moldau).

Meine Beobachtungen endeten hier, da nun Smalltalk mit den anderen Reisenden einsetzte. Und dann war zu merken, dass wir uns Praha näherten. Einige Menschen gingen mit Gepäck am Zug vorbei und auch in unserm Abteil wurde es unruhig, da wir alle sechs in Praha-Holešovice den Zug verlassen wollten.
Ich hatte bereits via SMS meiner Gastgeberin mitgeteilt, wie viel Verspätung wir hatten. Nun war ich gespannt, ob Zuzana auf dem Gleis sein würde und vor allem ob wir uns problemlos wiedererkennen würden. Drei Jahre sind eine lange Zeit.
Ich bin nur ein wenig grauer am Kopf und ein wenig runder am Bauch geworden. Sie war eine stille Frau, deren Schönheit erst am Aufblühen war.

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