Kezmarok, am 29. Mai
Am Ortsausgang von Poprad passierten wir ein warnendes Schild, das darauf verwies, dass auf dieser Straße im Jahre 2006 zehn Menschen gestorben sind. Es war eine Straße von der Breite einer deutschen Kreisstraße, die geschwungen von Ort zu Ort führte. Ich hatte bereits sehr erschreckende Überholmanöver gesehen, die nur mit einem Abbremsen der entgegenkommenden Fahrzeuge nicht zu einem Unfall führte. Ich unterhielt mich mit meiner Fahrerin über das Problem und sie konnte die Gefahr, die vor allem von jungen Fahrern (=männlich!) ausgeht bestätigen. Es waren auch weitere Beispiele von unnötigen Beschleunigungen, harten Abbremsen an Kreuzungen und Abbiegen ohne Blinkerbenutzung zu sehen. Doch eigentlich kann ich hierzu nichts Objektives äußern, da ich viel zu selten in einer von diesen Blechkisten sitze.
Kežmarok (=Käsmark) befindet sich nur etwa 15 Autominuten nordöstlich von Poprad. Wir fuhren zunächst durch industrielle Ausläufer von Spišská Sobota und passierten einmal mehr die große Autobahnbaustelle, die überall zwischen Liptovský Mikulaš und Prešov die Landschaft durchpflügt. Dies ist altes Kulturland. Zips hieß es bis in die Neuzeit, als hier deutsche Siedler lebten und nun heißt es Spiš. In den Ortschaften sind alte Kirchen markant vertreten und in der Stadt Kežmarok gleich mehrere davon für die beiden konkurrierenden christlichen Denominationen http://de.wikipedia.org/wiki/Denomination_%28Religion%29.
Unsere Suche nach einem Parkplatz führte uns zunächst an der Altstadt vorbei. Als wir den Fluss Poprad überquert hatten, war einer der Supermärkte einer deutschen Kette mit einem riesigen Parkplatz versehen und so hatten wir eine kostenlose Parkmöglichkeit. Ich hatte dies schon in Prag gesehen. Filialen von Discountermärkten, die aus Deutschland oder London bekannt waren, fanden sich hier, waren aber statt der bekannten Größe von um die 100 Quadratmeter hier mit einem Hypermarkt (Steigerungsform von Supermarkt) von vielen Hundert Quadratmetern vertreten.
Die eben noch befahrene Hauptstraße war nun zu einen Hindernis geworden. Rücksichtslosigkeit bedeutet auch, dass Zebrastreifen ignoriert werden und die Fahrzeuge mit sehr hoher Geschwindigkeit durch die Stadt fahren. Wie gejagtes Wild eilten wir über die Straße und bogen in die Altstadt. Hier kam schlagartig Ruhe auf. Die kommende Autobahn wird in Poprad und anderen Städten viel Durchgangsverkehr beseitigen, auch wenn der empirisch belegte Grundsatz gilt, dass gute Straßen Verkehr erzeugen. Städte wie Kežmarok oder Poprad können erst dann versuchen, die wilde Bestie Autofahrer zu zähmen.
Kežmarok hat eine große Altstadt. Wir gingen auf einen verkehrsberuhigten Bereich zu und mein Magen sagte mir laut und bestimmt, dass es Mittagszeit ist. Nach wenigen Worten hatte ich meine Gastgeberin auch überzeugt und im zweiten Anlauf fanden wir eine Pizzeria. Wir fanden einen Tisch und ich beobachtete andere Gäste. Da kamen zum Beispiel zwei Schülerinnen nach uns ins Restaurant und bestellten sich hier ein Mittag. Es waren dies zwei Exemplare der kleinsten Variante von sich als Erwachsene gebende Kinder. Die neue Mittel- und Oberschicht zeigt ihren Reichtum auch in den Kindern (Kleidung, Schmuck, Handy). Die beiden waren offensichtlich nicht das erste Mal alleine in einem Restaurant und waren vielleicht gerade einmal 10-12 Jahre alt.
Nach dieser angenehmen Pause gingen wir in die Altstadt und langsam entlang dieser Straße zur Hrad Kežmarku hinauf. Diese auch als Zipser Burg oder Thököly Schloss bekannte Gebäudekomplex soll im Spätalter eine der größten Burgen Mitteleuropas gewesen sein. Uns kamen Gruppen von Schulkindern entgegen und im großen Burghof standen weitere Klassen. Ich ignorierte all dies, denn meine Uhr sagte mir, dass die Kinder kurz vor dem Ende ihres Aufenthaltes sein mussten.
Dies war leider ein Irrtum. Das Schuljahr ging zu Ende und in dieser Zeit fanden die verschiedenen Klassenfahrten statt. Die Burg in Kežmarok war für normale Besucher gesperrt und es lief ein spezielles Programm für Schulkinder. Schade, denn ich konnte zumindest erahnen, dass dies ein so mächtiger Komplex war, wie ich ihn vor 17 Jahren in Polen in der Malbork (Marienburg), dem Hochschloss und Palast der Hochmeister des Deutschen Ordens, erlebt habe.
Also ging es in langsamen Schritt wieder zurück. Mir fiel an der Architektur auf, dass alle Häuser ineinander übergingen. Es gab immer wieder Hofeinfahrten oder kleine Tore, die zu Nebenstraßen führten, die aber dann durch Stützen an der Straßenseite und im Abstand von wenigen Metern auch noch mal zwischen den Häusern verbunden waren.
Ich hatte wenig von Kežmarok gesehen, aber genug, um mir sicher zu sein, dass ich noch einmal zurückkehren würde und dann mir auch die Burg anschauen würde.
Von Kežmarok ging es zurück nach Poprad, wo wir eine Verabredung mit einem weiteren Stipendiaten des Europa-Kollegs hatten. Das Auto wurde wieder am Bahnhof abgestellt, es ging in die Innenstadt und dann saßen wir auf diesen wunderbaren Ruhepol einen kleinen Grünanlage im Zentrum der Fußgängerzone.
Mit fröhlichem Hallo tauschten wir uns aus. Er hatte wie meine Gastgeberin auch gerade sein Abitur mit Bravour bestanden und bereits einen Studienplatz in Bratislava. Er wird ab dem Herbst Theaterdramaturgie und Theaterregie studieren. Dies ist ein sehr kleiner Studiengang mit nur acht Studienplätzen in einem Jahr. Er hat eine mehrtägige Prüfung in der Hauptstadt absolvieren müssen und obwohl er im Gegensatz zu vielen anderen Kandidaten keine Bühnenerfahrung hat, wurde er ausgewählt, da seine Kreativität erkannt wurde. Irgendwie war ich nicht wirklich erstaunt. Das er etwas Künstlerisches studieren würde, war mir klar.
Unser gemeinsamer Weg führte uns in einen Open Air Bar, die nach seinen Angaben von vielen Schülern nach Schulende besucht wurde. Er ist dort auch persönlich bekannt, da zum Beispiel seine Band dort öfters probte. Er ging mit einer CD zur Musikanlage und plötzlich wurden wir von Pink Floyd beschallt. Herzlichen Dank!
Ich fragte, ob einer der zwei Teilnehmer dieses Jahres sich bei einen gemeldet hatte. Ich hatte den beiden angeboten, dass wenn es ein Problem mit der Anreise geben sollte, dass wir das dann hier besprechen und lösen könnten. Er entgegnete, dass zumindest einer kommen würde. Wir plauderten angenehm und da kamen auch eine kleine Gruppe von Schülerinnen und Schüler in die Bar und einer war der mir bis dahin nur von einem Passfoto bekannte Teilnehmer. Eigentlich gab es keine grundsätzlichen Probleme. Er war wahrscheinlich einfach genauso neugierig wie ich auf alle Beteiligten des Europa-Kollegs. Die Gruppe verabschiedete sich wieder und nachdem ich ein leckeres Schwarzbier, dessen Namen ich nicht mitbekommen hatte, geleert hatte, brachen wir auf, um in ein Restaurant zu gehen.
Auf dem Weg dahin musste ich plötzlich lachen. An einem der Gebäude entlang der Hauptstraße fand sich ein sozialistisches Wandgemälde. Fröhliche Rotarmisten, die eine ländliche Bevölkerung beglücken.
Wir gingen ins Restaurant Stama, da dort traditionelle slowakische Küche serviert wurde. Auf anraten von beiden bestellte ich Bryndzové halušky. Das erste ist eine Zubereitung aus Schafskäse und das zweite ist vergleichbar mit den italienischen Gnocci aus Mehl und Kartoffeln. Als drittes Element gehört eigentlich Schweinespeck dazu. Da ich dies nicht esse, wurde es mir ohne Speck serviert. Damit fehlt ein wesentlicher Geschmacksträger und mein Urteil über diese Regionalspeise fiel nicht sehr positiv aus. Bei meiner diätischen Einschränkung kann ich einfach nicht jede Spezialität genießen.
Wir besprachen noch den nächsten Tag. Das Wetter war hier nicht sehr unbeständig und in der Hohen Tatra waren stets Wolkenmeere. Wir wollten dennoch am nächsten Tag gemeinsam dort einen Spaziergang machen. Ich vermeide das Wort Wanderung, denn es sollte tatsächlich nur ein Gang mit festen Schuhen und ohne Karten und Verpflegung sein.
In Svit beteiligte sich der Vater meiner Gastgeberin an unseren Planungen. Er hat viele Karten und Bilder und an den Wänden hängen viele Photographien, die die Schönheit der Hohen Tatra besingen.
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