Donnerstag, 29. Mai 2014

Europa und Europawahlen

Wahlergebnisse können wirklich lustig sein. Fast jedem Parteivertreter gelingt es aus einem Ergebnis, mag es auch noch so schlecht sein, etwas Positives zu ziehen. Da wird dann der "Genosse" Trend zitiert und darauf verwiesen, dass Prognosen noch schlechtere Werte erwarten ließen. Oder es wird ein Vergleich zur "???"-Wahl (die letzte Wahl im Land oder Bund) gezogen. Oder man vergleicht seinen Verlust mit den viel höheren Verlusten eines politischen Gegners. Doch die Vergleichsebene sollte natürlich die vorherige Wahl zum gleichen Parlament sein.

Wirtschaftliche Krisen in mehr als einem EU-Staat oder eben die Europawahl lassen aber auch ernsthafte Gedanken zu. Die Krise in Griechenland führte zu interessanten Essays über den (Zu-)Stand der EU. Der französische Philosoph Étienne Balibar schrieb aktuell in der LE MONDE diplomatique ein Plädoyer für Europa.

Doch zurück zum deutschen Wahlergebnis (Bundeswahlleiter). Die Kombination von Europawahl und Kommunalwahl bzw. Volksabstimmungen in einigen Bundesländern hat die Wahlbeteiligung erhöht. Obwohl sich die Zahl der Wahlberechtigten um mehr als 200.000 reduzierte, gingen mehr als 2,91 Millionen mehr von Ihnen zur Wahl. Die Wahlbeteiligung stieg auf immer noch traurige 48,1 Prozent. Da fast 100.000 weniger ihre Stimme ungültig machten, wurden 3 Millionen Stimmen (oder 11,4 Prozent) mehr Stimmen unter den Wahlvorschlägen zu verteilen. Von den etablierten Parteien erhielten nur SPD, CDU und Linke mehr Stimmen als 2009. Die FDP hat ihren Sinn (=Macht!) verloren und verlor Zweidrittel oder 1,9 Millionen ihrer Wahlstimmen. Die beiden anderen Verlierer waren die CSU und die Grünen.
Wenn die 3 Millionen zusätzlichen Stimmen als Maßstab für den Erfolg der Wählermobilisierung genommen wird, dann hat tatsächlich nur die SPD mit 2,5 Millionen zusätzlichen Stimmen gewonnen.

Der andere Sieger ist die AfD mit ihrem xenophoben, antifeministischen, chauvinistischen und EURO-kritischen Wahlkampf (2 Millionen Stimmen).
Ausgehend von einer Mindeststeigerung der eigenen Stimmen von 11,4 Prozent gab es nur wenige "Gewinner" unter den ehemals sonstigen Parteien: Die Piraten steigerten ihre Stimmenanzahl um 85 Prozent, Die Tierschutzpartei um 26 Prozent und die ÖDP um 37 Prozent. Hinzu kommen weitere Parteien, die 2009 nicht zur Europawahl angetreten waren, wie die Nazi-Partei und die Spaßpartei. Parteien unter 100.000 Stimmen werden bei dieser Betrachtung außen vor gelassen. Der Wahlerfolg der Nazis (301.000 Stimmen, 1 Sitz im Europaparlament) relativiert sich dadurch, dass die konkurrierenden REP 238.000 Stimmen verlor.

Nach der alten Sperrklausel von 5% wären nur 25,7 der 29,3 Millionen gültigen Stimmen im Europaparlament berücksichtigt wurden (entsprechend 87,7% der abgegebenen Stimmen). Nach der vom Bundesverfassungsgericht einkassierten reduzierten 3% Sperrklausel hätte sich die Quote auf 91,1% erhöht. Tatsächlich wurden nun 98,2% der gültigen Stimmen für die Sitzverteilung berücksichtigt. Die etablierten Parteien jammern, denn die CDU/CSU hätte nach dem alten Wahlrecht fünf Sitze mehr im Parlament. Auch der Block SPD-Grüne-Linke hätte fünf Sitze mehr.

Meiner Meinung nach ist es aber wichtiger, dass jeder Wahlberechtigte die Chance hat, dass die Partei seiner Wahl auch im Parlament vertreten ist.

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