(Eine Besprechung aus dem Jahre 2006)
Petros Markaris "Nachtfalter – Ein Fall für Kostos Charitos". Roman aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger. Diogenes Verlag, Zürich, 2001 (Original Amyna Zonis, Athen 1998).
Das Genre "Kriminalroman/Detektivgeschichte" ist mir weitestgehend fremd und so habe ich mir bisher auch erst wenige Beispiele dieser Gattung gekauft. Krimis aktueller Autorinnen und Autoren kamen bisher wie in diesem Fall nur als ein Geschenk oder nach einer ausdrücklichen Empfehlung in meine Bibliothek.
Unbelesen bin ich in diesem Feld dennoch nicht. Die Rätselgeschichten von Edgar Poe ("Die Morde in der Rue Morgue", 1841; "Das Geheimnis um Marie Roget", 1842, "Der Goldkäfer", 1843 und schließlich das Sahnestück "Der stibitze Brief", 1845), der damit diese Art von Literatur salonfähig machte, haben mich begeistert. Zwei von mir geschätzte Autoren (Douglas Adams und Gisbert Haefs) haben sich auch in diesem Genre versucht (zwei Dirk Gently Romane von Adams bzw. die Trilogie der Matzbach-Krimis von Haefs) und wurden mit großem Spaß gelesen. Henning Mankell ("Die Brandmauer") und Alexander McCall Smith ("No. 1 Ladies‘ Detective Agency") waren großartige Empfehlungen bzw. Geschenke.
Nun also ein Krimi aus Athen. Der Einstieg ist furios und dann ernüchternd. Kostas Charitos ist Kommissar bei der Athener Mordkommission und bricht seinen Urlaub auf Santorin ab, als im Nachbarort eine nicht zu identifizierte Leiche nach einem Erdbeben freigelegt wird. Er übernimmt die Verantwortung für den Toten und nach der Überführung der Leiche die Ermittlungen.
Es werden sehr schnell viele Personen eingeführt und entsprechend findet sich am Ende des Romans auch ein Personenverzeichnis, damit die Übersicht nicht verloren geht. Griechische Vor- und Nachnamen sind mir nicht so geläufig und deshalb ist dieses Verzeichnis theoretisch auch sehr hilfreich, aber es steht am Ende und wer liest schon einen Roman -vor allem einen Krimi- von hinten. Ich fand das Verzeichnis erst nach Abschluss des Romans. Dieser Service wäre als dramatis personae zu Beginn vor dem Roman sinnvoll gewesen.
Realistisch wird die Geschichte in dem Moment, wo Kommissar Charitos am ersten offiziellen Arbeitstag eine weitere Mordermittlung übernehmen muss und nun einen Spagat zwischen zwei grundverschiedenen Opfern aushalten muss. Der zweite Tote ist ein prominenter Besitzer zweier Nachtclubs, der vor einem Club regelrecht hingerichtet wurde. Der Prominente hat Kontakte ins Parlament und sogar zu einen ehemaligen Minister. Mit lakonischen bis sarkastischen Humor, sind immer wieder Spitzen gegen die politische Elite und ihre Unantastbarkeit gestreut. Charitos ist kein angenehmer Charakter und die Mordkommission als Ganzes ermittelt oftmals am Rande der Legalität, da der Dienstweg lang und durch Einflussnahme von höheren Stellen auch versperrt sein kann. Charitos ist ein Mensch mit einem harten Weltbild, voller Vorurteile, die auch vehement formuliert werden.
Das macht das Lesen nicht leicht. Es tauchen Personen auf, welche die Militärdiktatur als ein geringeres Übel bezeichnen als die Gegenwart und die Beschimpfungen und Vorverurteilungen von Drogenabhängigen und Menschen aus den benachbarten südosteuropäischen Staaten sind nicht lustig. Das ist auch eine Form von Realismus. Xenophobie und Kulturpessimismus in klaren Worten.
Der Kommissar hat ein ungewöhnliches Hobby. Er liest gerne in alten Lexika, um zur Ruhe zu kommen. So kommen immer wieder Zitate aus dem "Wörterbuch sämtlicher Begriffe bei Hippokrates" und anderen Werken vor. Seine Gedanken über die beschriebenen Worte münden oftmals in Spekulationen über den aktuellen Stand seiner Ermittlungen.
Es ist kein griechischer Krimi sondern speziell ein Athener Krimi und das erschwert das Lesen ungemein. Das Verkehrschaos, die halblegale Bebauung des Stadtrandes und der Lärm und Gerüche der Metropole werden ausführlich gewürdigt. Vor allem wird immer wieder geschrieben, wie lange die Fahrt von A nach B und schließlich nach C dauert. Ohne echte Ortskenntnisse und einer genauen Übersichtskarte oder sogar einem Stadtplan geht die Detailfreude für mich als Ortsfremden nach hinten los. Es ist also einer dieser "lokalen" Krimis, auch wenn es sich um die griechische Metropole handelt.
In einer Sammelbesprechung habe ich vor mehr als einem Jahr mal gelesen, dass Lokalkrimis zur Zeit der Renner sind. Ein Krimi der in Hannover oder Wolfsburg handelt, spricht vielleicht auch Menschen aus dem ganzen Land an, aber das Potential, Orte und Prominente wieder zu erkennen, führt zum Verkaufserfolg vor Ort. Ein sicheres Geschäft, da außerdem ehemalige Bewohner einer Großstadt über das ganze Land verstreut sind.
Für Menschen mit Ortskenntnis muss es eine große Freude sein, die Beschreibung der Lokalitäten und die Kommentare zur Lebenssituation im aktuellen Athen zu lesen. Für mich wurden diese Passagen ermüdend und langweilig, da sie den Fortgang der Geschichte verzögerten.
Die Versuche und schließlich der Erfolg zwei unterschiedliche Mordfälle zu lösen sind sehr interessant. Es verbietet sich natürlich, darüber zu schreiben, wie die Geschichte ausgeht.
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