1955 und 1956 veröffentlichte Arno Schmidt in der Zeitschrift Texte und Zeichen seine Essays Berechnungen I und Berechnungen II. Hier werden theoretische Überlegungen zu seiner neuen Form von Prosa ausgeführt und die bis dahin publizierten Werke verschiedenen Modellen zugeordnet.
Losgelöst vom Werk Arno Schmidts sind seine Bemerkungen zum Prozess des sich Erinnerns. Wenn zum Beispiel ein Ereignis der Kindheit wachgerufen wird, dann erschließt sich dies zunächst in Fragmenten, die wie in einem Zeitraffer erscheinen. Dieses Aufblitzen von Erinnerungen nennt Arno Schmidt »Fotos«. Im weiteren Prozess der Erinnerung kommen weitere Elemente hinzu, so dass nicht nur Bildbeschreibungen von Fotos verbleiben. Dieses Fotoprinzip der Erinnerung gilt bereits für Ereignisse, die nur einen Tag zurückliegen.
Walter Kempowski zählt zu den wenigen AutorInnen, die neben Arno Schmidt diese theoretischen Überlegungen auf ein Prosawerk anwenden. Erst durch die Vielzahl von Miniaturen - »Fotos« - entsteht im Weltschmerz eine Erzählung einer Kindheit in einer Kleinstadt während der Nazi-Zeit.... die »jüngste Vergangenheit« (die auch getrost noch als »älteste Gegenwart« definiert werden könnte) : hat man das Gefühl eines »epischen Flusses« der Ereignisse ? Eines Kontinuums überhaupt ? Es gibt diesen epischen Fluss, auch der Gegenwart, gar nicht. Jeder vergleiche sein eigenes beschädigtes Tagesmosaik !Berechnungen I (zitiert nach der textkritischen Edition der Arno Schmidt Stiftung; Das Essayistische Werk zur Deutschen Literatur in 4 Bänden, Bargfeld 1988, Band 4, S. 351)
Die Ereignisse unseres Lebens springen vielmehr. Auf dem Bindfaden der Bedeutungslosigkeit, der allgegenwärtigen langen Weile, ist die Perlenkette kleiner Erlebniseinheiten, innerer und äußerer, aufgereiht. Von Mitternacht zu Mitternacht ist gar nicht »1 Tag«, sondern »1440 Minuten« (und von diesen wiederum sind höchstens 50 belangvoll !).
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Weitere Zitate von Arno Schmidt:
- zum Militär
- zur Unsterblichkeit
- zur christlich-abendländischen Kultur
- Wahrheit und höfliche Lügen
- zum Nutzwert von Kirchen
- lautmalerische Romananfänge
- Unendlichkeit der literarischen Themen
- Lesen als Gespräch unter Freunden
- Europäische Kultur
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