Friedhelm Ratjen war mir bisher nur als hoch gelobter Übersetzer ein Begriff. Als ich aus reiner Neugier in der LaBi prüfte, ob es neue Publikationen über Scheeßel dem Heimatort der Hälfte meiner Vorfahren gibt, stieß ich gleich auf mehrere Bücher aus Scheeßel, die in der EDITION ReJOYCE erschienen sind.
Das Buch versammelt neun überarbeitete Texte, die ursprünglich für Radio Bremen entstanden sind und zwischen 1988 und 2000 erstmals gesendet wurden. Zwei der Texte sind in direkter Anlehnung an Arno Schmidts Radiotexten als Dialog zwischen fiktiven Literaturfreunden verfasst. Im Vorwort schreibt Ratjen, dass dieses Buch für Ortsfremde viel über seine Heimat, für Norddeutsche etwas über ihre Heimat und für Literaturbegeisterte etwas über literarische Figuren und ihre regionalen Hintergründe erzählt. Der Name Arno Schmidt reichte, um das Buch auszuleihen.
Diese nun zu lesenden Hörstücke behandeln im Einzeln:
- Den Astronomen Johann Hieronymus Schröter (1745-1816) aus Lilienthal;
- Arno Schmidts (1914-1979) vergeblicher Versuch die Wohnung des Küsters von Sankt Jürgen bei Lilienthal zu mieten. Er wollte dort seinen Großroman über Schröter vollenden. (Dialog)
- Einen Ausschnitt aus dem Lebenslauf von Hinrich Meyer (1837-1922) aus Westervesede im Kirchspiel Scheeßel, der als Missionar in die USA auswanderte;
- die Poesie von Heinrich Heitmann (1871-1919) aus Westervesede, der ebenfalls in die USA auswanderte und dort zum erfolgreichen Geschäftsmann wurde, der sich schließlich seinen literarischen Neigungen widmen konnte;
- Arno Schmidts oftmals sexuell aufgeladene Beschreibung von Fahrrädern;
- das Leben des Expressionisten Ferdinand Hadekopf (1876-1954) am Jadebusen;
- Ernst Blochs (1885-1977) Reflexionen über Heide und Moor;
- ein Dialog über den Lyriker Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975) aus Vechta;
- abschließend allgemein über Nestbeschmutzer. Wie Dichter ihre Heimat verhöhnen.
Nach einer allgemeinen Einführung in Nestbeschmutzer vieler Länder wird im letzten Stück der Brite Wyndham Lewis und sein 1939 im Deutschen Reich erschiene Der mysteriöse John Bull gewürdigt. Es wird hier die These vertreten, dass diese Beschimpfung der Engländer, die so positiv von den Nazis aufgenommen wurde, in Wirklichkeit eine Beschimpfung der Niedersachsen ist. Der menschliche Typ des John Bull sei überall in den niedersächsischen Dörfern zu finden und für eine Verfilmung hätte es Probleme gegeben, einen John Bull in England zu finden.
Dies immer noch bestehende Verwandschaft von Engländern, soweit sie Nachfahren der Angeln und Sachsen sind, und Niedersachsen erscheint mir wie eine gewagte Interpretation.
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