Filmkritik: Angel-A (Frankreich 2005, 90 Minuten)
Drehbuch, Produktion und Regie: Luc Besson
Mal wieder ein Märchen von Luc Besson. Das fünfte Element hat gezeigt, dass er phantastische Erzählungen schreibt und visualisiert. Nun ist es eine Geschichte in der Gegenwart, in Paris, in schwarzweiß, in Cinemascope.
Luc Besson selbst fasst die Story extrem knapp zusammen: Ein Mann trifft eine Frau in Paris. Es kann schon mehr geschrieben werden, ohne die Spannung, die jeder guten Geschichte innewohnt, zu verderben. Ein kleiner Ganove (gespielt von Jamel Debbouze) stolpert von einer lebensbedrohlichen Krise in die nächste und als er keine Hoffnung mehr hat und seinem Leben, das auf Lügen aufgebaut ist, ein Ende setzen will, trifft er eine in seinen Augen sehr attraktive Frau (Rie Rasmussen), die sich als gefallener Engel (altmodische Metapher für Prostituierte) an sein Leben hängt und damit seine Existenz umkrempelt.
Er lernt sich selbst kennen und zu seinen Werten und Idealen zu stehen und erlebt die Wahrheit des einfachen Spruches – nur wer sich selbst liebt, kann auch andere Menschen lieben. Es ist also eine einfache Geschichte, oftmals eine zu einfache Geschichte. Die Logik der Filmhandlung überzeugt nicht immer.
In seinen märchenhaften Passagen ist diese Komödie eine Gradwanderung, die droht in eine Klamotte zu fallen. Vielleicht liegt es aber auch nur an der deutschen Übersetzung. Die lustigen deutschen Dialoge der beiden Protagonisten kontrastieren manchmal mit der visualisierten Verzweiflung.
Das doppelte Ende ist ein kleiner Geniestreich und lässt einen im arg langen Abspann sitzen bleiben und über den Film sinnieren. Ein anderer Grund im Dunkel zu bleiben ist die bereits im Film bemerkenswerte exzellente Musik von Anja Gabarek, die hier wiederholt und ausgespielt wird. Ja, Ja, das ist die Tochter des viel gerühmten Jan, dessen Saxophon auch in einigen Stücken zu hören ist.
Das Gucci-Modell Rie Rasmussen spielte bereits die bestohlene Schauspielerin in Brian de Palmas "Femme Fatale" (2002). Hier spielt sie die Rolle der Angela als kühle Schönheit. Ihre Rolle kippt in einer Krise und danach zeigt sie eine strahlende Schönheit. Jamel Debbouze ist seit seiner Rolle als debiler Gehilfe des Gemüsehändlers in "Die Fabelhafte Welt der Amélie" von Jean-Pierre Jeunet (2001) ein bekanntes Gesicht. Er spielt überzeugend den Verlierer, der sich vor allen Problemen versteckt. Mit der Entwicklung seines Selbstbewusstseins verändert sich sein Auftritt und plötzlich meint man auch in ihm eine innere Schönheit zu erkennen.
Die Kamera von Thierry Arbogast, der ja schon die anderen Filme von Luc Besson bebilderte, fängt surreale Bilder von Paris ein. Es gibt Szenen auf bekannten Straßen, Plätzen und Brücken, aber alles ist menschenleer. Wahrscheinlich wollte Luc Besson damit die Einsamkeit seiner Hauptperson in einer quirligen Stadt noch einmal betonen. Die Kombination von schwarzweiß und großer Tiefenschärfe führt in den Außenaufnahmen zu irritierenden visuellen Erlebnissen. So gibt es eine Szene, in der das Auge des Zuschauers entscheiden kann, ob er auf das sprechende Paar fokussiert oder auf die klare Struktur und die Details der im Hintergrund zu sehen Kirche.
Ist dies ein Beispiel für das Kino der Zukunft (?), in der Filme mehrmals gesehen werden müssen, damit überhaupt alle Schauwerte erkannt und genossen werden und der Zuschauer stets aufs neue entscheidet, was er sich während eines Filmes anschaut. Die führende Hand eines Regisseurs, die mich durch seine Geschichte leitet, ist mir beim ersten Sehen eines Filmes lieber, als die Registrierung von Details, welche die zentrale Handlung ironisch brechen oder bestärkend kommentieren.
Für die ganz großen Filme (Pulp Fiction u.a. herausragende Filme die 10 von 10 Punkten erhalten) gilt mein Einwurf nicht. Denn dort ist ein Vergnügen jede einzelne Szene zu würdigen.
Der Film ist ein ästhetischer Genuss. Nicht nur sind viele Szenen ein Augenschmaus, sonder auch das Design der Kleidung von Angela und einiger der hoch modernen Sets in einem Club und einem Büro. Der Film hat natürlich auch Anspielungen auf andere Filme und so ist die Referenz auf Tarantinos Tanzszene aus Pulp Fiction ein lustiges Augenzwinkern.
Ein wunderschöner Film, der auch ein zweites Mal im Kino angesehen werde sollte. Ich gebe ihn 7 von 10 Punkten meiner Werteskala.
Einige Filmkritiken aus Tageszeitungen finden sich hier.
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