Aus dem Reisetagebuch vom 28. Januar 2005
Bereits gestern hatte ich mit der von mir zugesagten Aufräumarbeit in der ehemaligen Bibliothek begonnen. Der Vater der Gastegeberin war Professor für Linguistik am Swarthmore College und Gastdozent an weiteren Universitäten und Colleges, verstand dreizehn Sprachen aus fünf verschiedenen Sprachfamilien und hat in seinen 100 (!) Lebensjahren natürlich eine große Bibliothek gesammelt, die sich über die zwei Häuser in New Jersey und Florida verteilte. Nach seinem Tod wurden bereits viele Werke an Bibliotheken verschenkt. Hier in Florida warteten nun mehr als 20 Bananenkisten und drei große Regale mit Büchern, Offprints, Dissertationen, Zeitschriften, Landkarten, Briefen, etc. auf mich. Kartons wurde geöffnet, Titel notiert und am Computer eingegeben. Ich habe schon ein System der Ordnung im Kopf.
Endlich habe ich ein Bad im Swimming Pool genommen. Dieser gehört meiner Vermieterin. Sie bestimmt die Spielregeln, die nicht sehr nachvollziehbar sind, aber es ist ein Pool.
Subtropische Probleme. Das ganze Jahr fällt Laub, oftmals Hartlaub und entsprechend muss täglich Laub beseitigt werden. Die hohe Luftfeuchtigkeit verhindert, dass Wäsche wirklich trocken wird. Aus dieser Erfahrung gibt es die stete Angst, das sich irgendwo Schimmel absetzen könnte. Der Mann kämpft einen ständigen Kampf mit einigen Pflanzen, die mit ihren Wurzeln gemauerte und geteerte Strukturen gefährden und dann gibt es Schlingpflanzen, denen man beim Längenwachstum zuschauen kann. Schließlich weht manchmal eine steife Brise kontinuierlich diesen sehr feinen, weißen Sand bis hier.
Klingt alles sehr unwichtig, aber ich kann mir vorstellen wie es ist, wenn man hier lebt.
29. Januar 2005
Ich wachte auf und hatte arge Halsprobleme. Eine Reizung des Rachens. Als ich zum Frühstück „Guten Morgen“ sagen wollte, kam nur ein hohes Krächzen aus meinem Hals. Es ist vermutlich „Red Tide“. Eine rote Algenart wuchert in Teilen des Golfs von Mexico und tötet selbst die Fische. An der Wasseroberfläche rottet es und entlässt ein Gas. Dieses Gas kann mehrere Hundert Meter landeinwärts noch gespürt werden und führt zu heftigen Reizungen. Glücklicherweise treten die Algen nur an einigen veränderlichen Stellen auf und nicht jeden Tag weht ein heftiger Wind von der See (weitere Informationen bietet das Mote Marine Lab).
Wieder Bücher, Bücher. Es meine Gegenleistung für die dreiwöchige freie Unterkunft, das ich die Sammlung des verstorbenen Vaters sortiere. Am Ende sollten Bestände für die Familie, Bücher für Bibliotheken, Bücher zum Verkauf und Altpapier vorliegen. Es fanden sich auch viele Dokumente von diesem Linguistik-Professor, der in den 1920-er Jahre auswanderte.
Wir sprachen heute über Pläne für die nächsten Tage. Ein mögliches Ziel zusammen mit den Gastgebern wird das Kennedy Space Center an der Atlantikküste von Florida sein. Andere Ziele müssen noch geklärt werden, aber ich will natürlich auch ein sortierte Bibliothek hinterlassen.
Der Paketbote (The Postman) kam vorbei und wir standen zu dritt vor dem Haus und hatten für zehn Minuten einen Chat über Reisen. Meine Gastgeberin begann eine ihrer Tiraden gegen die verhasste Bundesregierung des Lügnerns und Wahlbetrügers Dubbelyou. Der Postbote kannte diese Litanei bereits. Kann mir nicht vorstellen, dass bei uns ein Paketbote sich diese Zeit nehmen kann.
Am Abend setzte ich mich aufs Fahrrad und fuhr erstmals (!) an den Siesta Public Beach. Es war eine Stunde vor Sonnenuntergang und ich machte einen langen Spaziergang. Habe zwei Delphine gesehen, die etwa 50 Meter vor der Küste langsam von Süd nach Nord zogen. Immer wieder tauchten die Schnauzen und die Flossen auf.
Der Sand ist etwas besonderes. Ganz fein und schneeweiß. Es sind gemahlene Muschelschalen und die Reflektionen von diesem Untergrund geben Fotos eine ungewöhnliche Farbe. Alle meine Abendbilder haben einen leichten Blaustich!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen