Donnerstag, 4. Januar 2007

Die erste Reise nach Tanzania

Eine mir nicht bekannte Freundin einer guten Bekannten stellte mir per E-Mail verschiedene Fragen zu einem Arbeitsaufenthalt in einem afrikanischen Land. Das ist nicht das erste Mal, dass ich als vermeintlicher Afrika-"Experte" angeschrieben oder telefonisch befragt werde. Meine Forschungen in Kenya, Zimbabwe, Südafrika und Ghana waren auch Arbeit, aber hier waren meine Erfahrungen in einem sogenannten Work Camp gefragt.

Mein erster Aufenthalt in einem afrikanischen Land war rund um ein vierwöchiges Work Camp in Shigatini/Pare in Tanzania, dass von der Kölner Gesellschaft für internationale Begegnung e.V. (GiB) durchgeführt wurde.
Am Ende des Sommersemesters 1986 hatte ich mich mit einer Studentin, die ebenfalls in einer Projektgruppe zur afrikanischen Geschichte von Prof. Dr. Helmut Bley studierte, darüber verständigt, dass wir einen Hinweis unseres Professors ernst nehmen und unsere Studien durch einen Aufenthalt erden würden. Wir hatten uns sehr schnell auf Tanzania verständigt, da dieses Land ein sehr positives Image hatte und wir im Studium auch viel aus seiner Geschichte gelernt hatten. Tanzania war das seltene Beispiel eines Landes, das weder Militärherrschaft noch Bürgerkrieg erlebt hatte.

Ich weiß nicht mehr wer und wie wir auf die Angebote der GiB gestoßen sind, doch wir verständigten uns mit den Veranstalter, dass wir ein deutlich verbilligtes Angebot erhalten, da wir individuell an- und abreisen wollten.
Zunächst waren wir auch noch zu viert oder fünft, die wir als Gruppe reisen wollten. Etwa alle zwei Wochen trafen wir uns und besprachen Aspekte der Reiseplanung. Dafür wurden jeweils Hausaufgaben verteilt, die auch die Geschichte und Politik Tanzanias umfassten. Mwalimu Julius Nyerere und seine Ujama-Politik wurde in Quellentexten gelesen und der dort zu findende Idealismus bestärkte uns in unseren Plänen. Im Frühjahr 1987 gab es Vortreffen aller Teilnehmenden am Work Camp, wo wir etwas über Tanzania, unserer Zielgebiet und vor allem die anderen Teilnehmenden erfuhren. Die medizinische Vorbereitung war umfassend und erschreckend. Gegen Gelbfieber und Cholera erfolgten Impfungen und gleichzeitig wurden Tetanus und Polio aufgefrischt. Das größte Hindernis waren die Malaria-Tabletten, da ich eine fast schon als Phobie zu bezeichnende Angst vor großen Objekten in meiner Kehle hatte (Kindheitstrauma nach dem Beinahe-Ersticken an einem verschluckten und stecken gebliebenen Bonbon).

Am 23. Juli 1987 flog ich mit einer Bekannten, die sich zu der Zeit frisch in einen Mitbewohner ihrer WG verliebt hatte, nach Nairobi, Kenya. Wir waren ja so naiv! (siehe 1. Brief von der Reise) Die Bekannte war eine schlechte Gesprächspartnerin, da sie in Gedanken stets bei ihren Liebsten war und viele Besonderheiten nicht sah. Dies änderte sich in den folgenden drei Monaten auch nur wenig und die Bekanntschaft endete bereits ein halbes Jahr nach der Reise im heftigen Streit.

Unser Kulturschock war umfassend, soll aber hier nicht weiter thematisiert werden. Wir reisten nach einem Tag mit einem Nachtbus nach Mombasa, wo wir nach wenigen Stunden Aufenthalt einen Bus nach Malindi an der nördlichen Küste bestiegen. Vor Kilifi hatten wir einen kurzen Aufenthalt, da wir auf die Fähre über den Kilifi Creek warten mussten. Aus Sicherheitsgründen durfte niemand für diese wenigen Minuten Überfahrt im Bus bleiben. Wir standen an der Reling und schauten in das klare Wasser. Da waren eine Vielzahl von Fischen, wie sie mir vorher nur aus privaten Aquarien bekannt waren, zu sehen.
In Malindi bezogen wir bewusst keines von den Hotels für die „Neckermänner“, sondern eine Herberge in der Altstadt, wo wir die einzigen Weißen waren. Halt typische Rucksackreisende, die sich mit den "Touristen" nicht gemein machen, aber eigentlich auch Touristen sind. Eine Arroganz, die wir damals noch nicht sahen. Übrigens haben wir in der Woche, in der wir in Malindi waren, nur einmal weiße Touristen in der Altstadt gesehen. Dies sagt natürlich etwas über die Touristen aus, denen es vermutlich herzlich egal ist, an welchen Strand, sie sich bräunen, Hauptsache es ist preiswert.
Nach einer Woche ging es von Malindi wieder mit dem Bus zurück nach Mombasa und dort wurde am 3. August ein Bus nach Tanga, Tanzania bestiegen. Mein Reisepass erinnert mich daran, dass wir die Grenze in Horogoro (?) passierten und wir dort an der Grenze für einen Monat eine Aufenthaltsgenehmigung für Tanzania erhielten. Auf dieser Fahrt wie auch auf den anderen Überlandfahrten erhielten wir Sitze in der Nähe des Fahrers. Auf keiner Fahrt erlebten wir, dass andere Weiße im Bus saßen. Wir waren Exoten und hatten einen guten Blick auf den Weg. Dies konnte zum Horror werden. Ich erinnere mich an die Abfahrt auf einer Piste in ein Tal, wo nur zwei Metallplanken eine Brücke bildeten und der Fahrer den vollen Schwung brauchte, um auf der anderen Seite den Hang wieder hoch zu kommen.

Mit dem Ostafrikahandbuch vom Afrikainstitut Hamburg hatten wir weit mehr als ein Reiseführer. Die Tipps der Wissenschaftler gaben uns so viele Hinweise, dass wir ohne Kontaktpersonen uns in zwei Ländern bewegen konnten, in denen viele Menschen neben ihrer Lokalsprache nur Kiswahili sprachen.
Es waren schöne Tage in Malindi und Tanga und weiter ging es über Moshi nach Mwanga, wo die letzte Etappe unserer Fahrt nach Shigatini beginnen sollte. Hier gab es keinen Bus, sondern alte Landrover mit offener Pritsche und einem Eisengestell von mehr als einem Meter Höhe auf der Ladefläche. Dies war unser und etwa zehn weiterer Personen Transport um auf die Northern Pare Mountains zu gelangen. Die Piste zog sich in engen Schlangenlinien steil den Hang hinauf und die Blattfedern plus die vielen Löcher in der Piste schüttelten uns heftig durch. Ohne kräftiges Festhalten an dem Eisengestell hätte es viele blaue Flecken gegeben, da es auch keinen festen Stand auf der Pritsche gab. Die Pritsche selbst war vollständig mit Säcken belegt und wir standen auf diesen unebenen Fläche.
Wir hatten einen ungefähren Zeithorizont für unsere Ankunft in Shigatini genannt und kamen dort überraschend als erste Teilnehmende an. Das Missionshaus war noch aus der deutschen Kolonialzeit und für die ersten vier Wochen unsere Herberge.

Shigatini ist eine der frühen Missionsstationen der (ev.-luth.) Mission zu Leipzig, die während der Kolonialzeit im Nordosten vom damaligen Deutsch-Ostafrika errichtet wurden. Unser "Reiseleiter" war ein ehemaliger Mitarbeiter der ev.-luth. Kirche, der vielfältige Kontakte zu gleichgesinnten kirchlichen Einrichtungen in Ostafrika aufgebaut hatte und pflegte. Shigatini war schon vorher Ziel eines Work Camps.
Wir -eine Gruppe von etwa 10 Deutschen- sollten an einem Projekt an der Sekundarschule Shigatini mitwirken. Wir waren AbiturientInnen und Studierende zwischen 19 und 28 Jahren. Wir lebten im Missionshaus, waren aber nicht verpflichtet an den religiösen Veranstaltungen teilzunehmen.

Ein neuer Klassenraum war gemauert wurden und nun musste der Fußboden vorbereitet und ausgegossen werden. Die gemeinsamen Mittagsmahlzeiten der Schülerinnen und Schüler wurden bisher außerhalb der Gebäude eingenommen und nun sollte aus Sisalstangen eine einfache Mensa als Sonnen- und Regenschutz gebaut werden. Hierfür musste ein Hang eingeebnet werden. Gleichzeitig durften wir bei Interesse am Unterricht teilnehmen oder selbst nach Absprache eine Unterrichtseinheit geben. Es war alles Handarbeit. Mit Hacken wurde der Hang eingeebnet. Steine für den Untergrund wurden in benachbarten Bächen gesammelt und zur Baustelle getragen und die Stangen für die Mensa wurden in einer aufgelassenen Sisalplantage im Tiefland von uns mit Macheten geschlagen. Doch es gab auch Freizeit (Kilimanjaro, Moshi, Ngurdoto National Park am Mt. Meru) und entwicklungspolitische Exkursionen (Biogasanlage bei Arusha, Berufsschule in Arusha, Versuchspflanzungen am Hang des Kilimanjaro) und außerdem mussten wir uns täglich selbst versorgen.

Ich breche hier erst einmal ab, denn dieses "Kapitel" meines Lebens könnte ein ganzes Buch füllen aus Erinnerungen und Reflektionen.
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Bereits ein Jahr später war ich Student der University of Dar es Salaam, über die Probleme eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, habe ich einen kurzen Beitrag geschrieben. 

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