Donnerstag, 4. Januar 2007

Sofia Coppola 2006 Marie Antoinette

Marie Antoinette (USA 2006, 123 Minuten)
Regie und Drehbuch: Sofia Coppola

Ein Film über eine langsam erwachsen werdende Frau, deren Leben in einem goldenen Käfig verläuft, der mit der Welt verwechselt wird. Es geht um Dekadenz und damit um Ignoranz und Leben in Exzessen.
Sofia Coppola hat sich hierfür ein schwieriges Beispiel gewählt. Marie Antoinette (gespielt von Kerstin Dunst), jüngste Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia (Marianne Faithful), wird als Faustpfand für Frieden und Kooperation an den Dauphin Louis Auguste de Bourbon (Jason Schwartzman), dem späteren Louis XVI verheiratet.
Der österreichische Hof erscheint im Gegensatz zum Leben in Versailles wie ein Dorf gegenüber einer Großstadt. Marie Antoinette staunt zunächst freundlich und höflich, erlebt aber schnell die Langeweile des Protokolls und schließlich die Gefahren der Intrigen und Gerüchte. Es ist eine interne Geschichte, das Leben außerhalb des Hofstaates ist nicht Thema des Filmes noch der zugrunde liegenden Biografie von Antonia Fraser (München, DVA Sachbuch, 2006). Kritik an der fehlenden Darstellung der französischen Realität greift deshalb auch ins Leere.

Da es sich um eine historische Persönlichkeit handelt, einige Hintergründe. Der politisch unfähige Ludwig XV. (1710-1774) regierte seit 1724 ein Land mit zerrütteten Staatsfinanzen. Sein Onkel Philipp V. (1683-1746) regierte Spanien. Diesem familiären Bündnis standen Großbritannien (Seemacht und Kolonien) und das von Wien regierte Kaiserreich unter Franz I. (1708-1765) und Maria Theresia (1717-1780) gegenüber. Um den fragilen Frieden nach mehreren Kriegen zu stabilisieren, wurden verschiedene Hochzeiten arrangiert. So ein Faustpfand war auch Marie Antoinette (1755-1793). Bereits im Alter von 14 Jahren wurde sie mit dem nur einen Jahr älteren Louis Auguste (1754-1793), dem Enkel des französischen Königs und nach dem frühen Tod seines Vaters auch Thronfolger, verheiratet. (Zur Biographie bei Wikipedia)
Die Dekadenz, die sich seit der absoluten Herrschaft von Ludwig XIV. in Versailles entfaltete, trieb unter Ludwig XV. immer weitere Blüten und die daraus resultierende Finanznot schwächte den absoluten Staat, der militärisch mehrere Niederlagen erlebte. Als Ludwig XVI. 1774 die Herrschaft übernahm, kam ein großes Kind auf den Thron, seine Minister regierten das Land. Die Fehlentscheidung den Finanzminister Turgot zu entlassen, die immensen Kosten für den Hofstaat und den Hochadel sowie die massive Unterstützung der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung führten zu zunehmender Staatsverschuldung. Finanzminister (Directeur du Trésor) Jacques Necker veröffentlichte 1781 erstmals den Staatshaushalt. Die dort nachzulesende Geldverschwendung am Hof von Versailles führte zu seiner Entlassung und in der Folge zur Erhöhung der Abgaben und Steuern. Der Gegensatz zwischen Hochadel und Klerus auf der einen und der Bevölkerungsmehrheit auf der anderen Seit wurde weiter forciert und war dann einer der Gründe für die Einberufung der Nationalstände und dem Beginn der Revolution. Am 5. Oktober 1789 machte sich eine Menge von mehreren Tausend Frauen auf den Weg nach Versailles. Viele weitere Menschen schlossen sich ihnen an, so dass mehrere Zehntausend Menschen am Abend in Versailles ankamen. Sie forderten Lebensmittel sowie den sofortigen Umzug der königlichen Familie in das Stadtschloss Tuilerien im Zentrum von Paris.

Der Film behandelt die Biografie von Marie Antoinette zwischen 1770 und dem Umzug nach Paris am 6. Oktober 1789. Sofia Coppola findet viele herausragende Bilder, um luxuriöse Langeweile, Spielsucht und Kaufrausch zu zeigen. Alles ist im Überfluss vorhanden und es wird nur gekostet von den aufgetischten Köstlichkeiten. Die Etikette wird gleich mehrmals in ihrer Absurdität gezeigt. Als Königin darf sie gar nichts machen. Selbst die morgendliche Wäsche und das Ankleiden sind je nach der hierarchischen Stellung Privilegien, die von ausgewählten Adeligen ausgeführt werden. Die Etikette führt auch direkt zur Langeweile. Eine Elemente des Tagesablaufs werden mehrmals gezeigt und von der anfänglichen Neugier bleibt nur das gelangweilte Ertragen.

Es werden zwei Arten von Filmmusik verwendet. Zum einen untermalen kleine Orchester, die in der Regel im Hintergrund zu sehen sind, höfische Szenen bei Festen und Mahlzeiten und dann ist da moderne Popmusik. Ein Maskenball mit den für uns ungewöhnlich aussehenden hüpfenden Tanzbewegungen wird von einem Stück der 80-er Jahre im gleichen Takt untermalt. Leider übertreibt Sofia Coppola manchmal. Die Musikspur ist oftmals viel zu laut und moderne Popmusik erschallt auch, wenn die Bilder ohne weitere Töne gezeigt werden könnten. Hat Coppola so wenig Vertrauen in ihre Darstellungsqualität?
Die Musik von The Radio Dept., Bow Wow Wow, Siouxsie and the Banshees, The Cure, New Order, Aphex Twin, The Strokes und Adam Ant + The Ants ist treibend und wunderbar und erfährt durch die Verwendung auch eine Veränderung. Das bekannte Stück "Kings of the Wild Frontier" von Adam Ant + The Ants wurde zunächst nicht wiedererkannt.

Konsumrausch und Popmusik sind offensichtlich ein Versuch die Dekadenz des Hochadels der dargestellten Zeit mit der Dekadenz des Geldadels der Gegenwart auf eine Stufe zu stellen. Paris Hilton und Sex and the City kommen mir in den Sinn. Meine Begleiterin verwies mich im Abspann auch auf DEN Schuhdesigner Manolo Blahnik, der seit den von Frauenzeitschriften herbeigeschriebenen Erfolg von Sarah Jessica Parker, Frauenherzen höher schlagen lässt und Schuhe für einen Wochengehalt oder mehr anbietet.
Gelungen erschien mir die Szene, in der die neue Macht der Zeitungen gezeigt wird. Gerüchte werden massenwirksam verbreitet und schaffen damit eine neue Form von Öffentlichkeit außerhalb der Reden in den Kirchen und der staatlichen Verlautbarungen. Bereits vor ihrer Thronbesteigung wurde von Zeitungen das angebliche Zitat "Die Leute haben kein Brot? Sollen sie doch Kuchen essen" (Original: "S'ils n'ont pas de pain, qu'ils mangent de la brioche") verbreitet. Dieses Zitat wird auch hier vorgeführt. Das Marie Antoinette damals wie heute vor allem eine Projektsfläche für die Kritik am überkommenen Ständestaat war und ist, zeigt sich selbst in der Werbung für diesen Film, wo dieses angebliche Zitat verwendet wird.

Kerstin Dunst spielt die Marie Antoinette und ihre Entwicklung sehr überzeugend. Ihre Maske ist schlecht. Es wird das 14. bis 34. Lebensjahr gezeigt, aber im Gesicht ist nur wenig Wandel zu erkennen. Ähnliches gilt für Jason Schwartzman als Ludwig XVI., der 15-jährige Dauphin ist nicht zu erkennen und der Wandel zu einem Gourmand wird zwar beim Frühstück gezeigt, aber sein Aufschwämmen noch nicht einmal angedeutet.

Sofia Coppolas dritter Film ist unterhaltsam, aber nicht mehr. Es ist ihr bisher schwächster Film.

Der Film ist nicht stimmig. Die vielen wunderbaren Bilder, die oftmals gelungene Kombination von Bild und Musik werden durch Längen und den oben genannten Störungen konterkariert. Ich gebe dem Film 6 von 10 Punkten meiner Werteskala.

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Ihr erster Film von 1999 The Virgin Suicides wurde auch schon von mir besprochen.

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